Kommunikationskonzept: Vernachlässigter Erfolgsfaktor bei der Umsetzung von ITIL-Prozessen

ITIL ist der weltweit am meisten akzeptierte Leitfaden für die Gestaltung und Umsetzung von Service Management Prozessen in einer IT Organisation. Es wird eindrücklich und gut nachvollziehbar aufgezeigt, was eigentlich alles getan werden sollte, um professionell und kundenorientiert IT Leistungen in Form von Services zu erbringen.

Was in der Theorie – und oft auch noch in der frühen Projektphase als klar und verständlich anmutet, ist dann letztlich bei der Übernahme durch die betroffenen Mitarbeiter doch nicht so simpel. Darauf wird zwar in den ITIL-Büchern hingewiesen, aber guter Rat, wie es denn zu bewerkstelligen ist, fehlt dann doch.

Die Prozessorientierung ist heute vielfach in IT-Organisationen nicht vorhanden. Die Prozesse sind den meisten Mitarbeitern nicht bekannt und können folglich auch nicht entsprechend umgesetzt werden. Dokumentierte Verfahrensanweisungen zur Gewährleistung der Beherrschung der Prozesse fehlen vielfach oder sind nicht stufengerecht aufbereitet.

Mit diesem Blog-Beitrag sollen ein paar Denkanstösse vermittelt werden, wie methodisch das Bewusstsein gefördert so gefördert wird, dass die neue Arbeitsweise nicht als Mehraufwandgesehen, sondern als ganz normaler Teil der Arbeit anerkannt wird.

Grundlage: die Service Management Strategie und Vision
Mit der Service Management Strategie einer IT Organisation soll eine Aufbruchstimmung erzeugt und die Mitarbeiter auf allen Stufen für die anstehenden neuen Herausforderungen herangeführt und motiviert werden.

Die erfolgreiche Umsetzung dieser Strategie hängt massgeblich von jedem einzelnen Mitarbeiter ab. Daher ist es Notwendigkeit der Strategie entsprechend glaubwürdig zu vermitteln.

Folgende Kernaussagen können Bestandteil einer Service Management Vision sein. Wichtig ist, dass sich alle Stakeholder angesprochen fühlen und so dass es sich lohnt, für diese Werte einzustehen:

  • Offenheit für Neues
    • Lernorientierung: Die laufende Verbesserung der  Service Management Prozesse durch die Mitarbeiter, verstärkt und beschleunigt das Lernen
  • Standardisierung steigert den Nutzen
    • Kundenorientierung: Die Prozesse sind auf die Anforderungen der Kunden ausgerichtet
  • Effizienz und Effektivität
    • Wertschöpfungsorientierung:  Service Management Prozesse konzentrieren sich auf wertschöpfende Aktivitäten. Aktivitäten ohne Wertschöpfung werden entfernt
  • Wertschätzung
    • Kompetenzorientierung: Die Service Management Prozesse dienen dazu, Kernkompetenzen auf- und auszubauen
  • Gestaltungsspielraum nutzen
    • Mitarbeiterorientierung: Die Mitarbeiter sind angehalten, die Service Management Prozesse weitgehend eigenständig zu optimieren

Die von der Service Management Strategie abgeleiteten Ziele sind zu verdeutlichen:

  • Die fokussierten strategischen Ausrichtungen der IT-Organisation sind beim Management und den Mitarbeitenden durch geeignete Massnahmen zu verankern.  Die wesentlichsten Aspekte (Nutzen, Ziele, Inhalt) und die Auswirkungen auf die  Organisation und Mitarbeitende (inkl. MBO’s) sind darzulegen.
  • Im Rahmen der Verbreitung der Strategie wird auch die Roadmap vorgestellt und das Governance Modell erläutert (Top Down Approach).
  • Das Management aller relevanter Organisationen der IT-Organisation und beteiligter Einheiten soll fortlaufend in Prozessmanagement und –denken geschult und informiert werden, damit die Service Management Strategie  ganzheitlich und termingerecht umgesetzt werden kann.
  • Voraussetzung für die erfolgreiche Einführung der Service Management Prozesse, sind das Verständnis der geschaffenen Prozessarchitektur (Zweck, Inhalt, Verbindungsstellen etc.) sowie die Governance der einzelnen Prozesse zueinander.
  • Für den Transfer des Prozessdenkens in den Arbeitsalltag sind Quick-Manuals für Führungskräfte und Mitarbeitende zu erarbeiten. Darüber hinaus muss die Steuerung der Prozesse mittels Key Performance Indicators (KPI’s) und das entsprechende Prozesscontrolling durch das Management und der Mitarbeiter verstanden und aufgesetzt werden.
  • Zusätzlich gilt es, das Sicherheits-Bewusstsein bei den IT- Mitarbeitern kontinuierlich zu vertiefen und das Risikobewusstsein im Umgang mit Daten, Informationen und Systemen zu erhöhen.
  • Die Schulung erfolgt stufengerecht nach dem Konzept „Teach the Teacher“, d.h. die Prozessowner schulen die involvierten Führungskräfte und diese wiederum ihre Mitarbeiter.

Hinweis: zur Analyse potentieller Verhaltensbarrieren hilft die ABC-Analyse.

Motivation zur Umsetzung eines Awareness-Programms
Die Umsetzung der Service Management Strategie kann nur erfolgreich durchgeführt werden, wenn die Prozessorientierung, das Prozessdenken, die Kunden- und die Serviceorientierung bei allen Mitarbeitern verankert wird und die Partizipation der Mitarbeiter im Programm nicht nur fragmental erfolgt.

Gründe für ein Scheitern für die Umsetzung der Strategie sind:

  • Ohne fundamentierte Awareness Initiative kann die Service Management Strategie nicht gelebt werden. Die Awareness ist alternierend in ihrer Ausprägung und begleitet das Umsetzungs-Programm durchgehend
  • Die dokumentierten Prozesse werden nicht gelebt und die entsprechenden Nutzenpotentiale werden nicht ausgeschöpft (Investitionsruine)
  • Prozessdenken und die Kundenorientierung wird in den IT-Organisationen nicht gefördert; Organisationen verbleiben funktions- und verrichtungsorientiert mit vielen Schnittstellen
  • Versteckte IT Betriebskosten, welche nicht erkannt werden, lassen sich nicht senken  (nicht realisiertes Rationalisierungspotential)
  • Die unabdingbare Bereitschaft zum Wandel in Richtung Kundenorientierung und Serviceleistung ist eine notwendige Voraussetzung zur Einführung der Prozessorientierung.

Ziele und Nutzen des Awareness-Programms
Das Ziel des Awareness-Programm ist es, integrative Konzepte und Lösungswege unter Berücksichtigung der Einsatzmöglichkeiten der IT im Hinblick auf eine veränderte Servicekultur innerhalb der IT Organisation und dadurch den Umbau zu einer prozess- und kundenorientierten Serviceorganisation aufzuzeigen:

  • Erstellen eines Informations- und Kommunikationskonzeptes zur Service Management Strategie für die IT Mitarbeiter. Konkrete Erläuterung, was die Strategie für den einzelnen Mitarbeiter bedeutet
  • Aufbau des Prozess-Schulungsprogramms unter aktiver Involvierung der Prozess-Owner
  • Umsetzung des Schulungsprogramms mit den Schwerpunkten:
  • Einleitung einer Verhaltensänderung in Richtung Service- und Kundenorientierung
  • Prozess- und Qualitätsmanagement
  • Schulung der Prozesse durch die jeweiligen Prozessowner (Einheiten)
  • Permanente Vertiefung des Sicherheits- und Risikobewusstseins

Aus der ständigen Awareness, – verbunden mit einer ganzheitlichen und durchgängigen Kommunikation – und damit die Erreichung der in der IT-Organisation festgelegten Ziele sind folgende Nutzenpotentiale zu erwarten:

  • Die Erhöhung der Service- und Prozessqualität wird durch aktive Verantwortungsübernahme der Mitarbeiter als Beitrag zur Service Optimierung (Qualitätssorgfalt) verstanden
  • Ausrichtung auf die vom Kunden verlangte Service- und Produktequalität
  • Die Leistungen der Prozesse sind plan- und wiederholbar und werden aktiv gesteuert
  • Die kontinuierliche Erhöhung des Prozessreifegrades optimiert die Organisation, welche die Prozesse gesteuert
  • Durch optimierte Prozesse werden Kosten mittelfristig reduziert
  • Das Fördern des unternehmerischen Denkens auf allen Ebenen

Lösungskonzept
Der Erfolg der Service Management Strategie hängt entscheidend von dem Bewusstsein der Organisationen (Management und Mitarbeiter) ab. Das Awarenessprogramm setzt ein weitgehend standardisiertes Vorgehensmodell auf, das sowohl die Nachhaltigkeit der Service Management Strategie als auch mögliche “Quick-Wins” in den Organisationen unterstützt und fördert.

  • Das Vorgehensmodell stellt Methoden, Verfahren und Prozesse zur Verfügung
  • Das Vorgehensmodell liefert Muster und Kennzahlen für das Prozessdenken und Prozessmanagement

Die Umsetzung der Service Management Strategie ist ein dynamischer Veränderungsprozess für die gesamte IT Organisation. Zu Beginn wird dieser Veränderungsprozess durch zunehmende Komplexität und hohem Arbeitsaufwand begleitet, da das Vorhaben für viele Mitarbeiter neu und dadurch risikobehaftet wirkt. Auch die Motivation und Bereitschaft der Zielgruppen verändert sich während der Dauer der Umsetzung des Strategie Programms.

Für die Implementierung einer Servicekultur gibt es keine Standardlösung. Die Servicekultur muss aktiv gelebt und als normaler Umstand verstanden werden, um langfristig Effizienz und Effektivität im betrieblichen Alltag zu erzielen.

Kritische Erfolgsfaktoren
Es gilt die möglichen Hemmnisse, die einer erfolgreichen und nachhaltigen Umset-zung der Service Management Strategie gegenüber stehen zu identifizieren und auszuräumen. Hier ist mit Human Resources und der Kommunikation innerhalb der Unternehmung sehr eng zusammenzuarbeiten. Welche Erfolgsfaktoren zu berücksichtigen sind, ist in nachstehender Grafik zu sehen.

Quelle: Unternehmenskultur als Erfolgsfaktor, Dr. Eva Strasser, München April 2003

Konzequente Einbringung der Mitarbeiter
Im Mittelpunkt der Prozessorientierung steht der Mensch, der die Struktur der IT-Betriebsprozesse aktiv in die Praxis umsetzt und täglich „lebt“. Die Erfolgsfaktoren, welche die Mitarbeiter für eine erfolgreiche Bewältigung der an sie gestellten Anfor-derungen qualifizieren, lassen sich in sogenannte „harte Faktoren“ (hard facts) und „weiche Faktoren“ (soft facts) unterteilen.

Zu den harten Erfolgsfaktoren zählen neben dem fachlichen und technischen Wissen, das für eine bestimmte Tätigkeit erforderlich ist, auch methodische und organisatorische Kenntnisse. Diesen beiden Gruppen von Erfolgsfaktoren ist gemeinsam, dass sie einer erfolgversprechenden Förderbarkeit durch Weiterbildungsmassnahmen unterliegen. Neben ihnen darf aber die Bedeutung der weichen Erfolgsfaktoren nicht unterschätzt werden, handelt es sich doch bei ihnen um diejenigen Faktoren, welche eine erfolgreiche Anwendung des fachlich/technischen bzw. methodisch/organisa¬torischen Wissens im betrieblichen Alltag erst ermöglichen.

Wer handeln soll, muss informiert sein
Information ist nicht nur für die Leistungsbereitschaft der Mitarbeiter wichtig; Sie ist auch wichtig für den Erfolg. Nur wenn Informationen die über das hinausgehen, was der Mitarbeiter braucht um sein Aufgaben zu erfüllen, werden sie seine Einstellung und Identifikation zur Arbeit und Organisation positiv beeinflussen. Somit ist Information die Voraussetzung für Motivation uns selbstständiges Handeln.

Modul 1 Auftauen
Schwerpunkt dieses Moduls ist die Erhebung der vorherrschenden Service Kultur sowie das Marketing der Inhalte und Notwendigkeit der Service Management Strategie.

Schwerpunktthemen dieser Phase sind:

  1. Analyse der Organisationskultur
    Veränderungen steht für viele Menschen für Ungewissheit und fehlende Orientierungsmöglichkeiten.  Mit Hilfe einer standardisierten Organisationsdiagnostik soll in diesem Modul der Startpunkt in der Organisationskultur ermittelt werden können, sowie mögliche Ziele objektiv und anschaulich, wissenschaftlich fundiert aufzeigen.
  2. Führungsklausur zur neuen Service Management Governance
    Die Umsetzung der Service Management Strategie hat zum Ziel, die betrieblichen Abläufe effizienter und effektiver zu gestalten. Nicht nur dies: die IT soll in erster Linie die Geschäftsprozesse optimal unterstützen und als Motor für die im Markt geforderten Veränderungen dienen. Es müssen also Strukturen geschaffen werden, um aktiv auf die zu leistende Service Qualität Einfluss nehmen zu können.
    Aus dieser Sicht wird mit der Umsetzung der Service Management Strategie ein Führungsinstrument geschaffen,  welches erlaubt, die IT Organisation als verlässlicher Service Provider für höchste Service Qualität zu entwickeln. Um diesem Anspruch gerecht zu werden, ist es wichtig, dass das Management auf allen Stufen sich der Verantwortung dieser Herausforderung bewusst ist. Folgende Inhalte  sind in der Führungsklausur vorgesehen:

    • Erarbeitung eines gemeinsamen Qualitätsverständnisses
    • Aufzeigen von VeränderungsrisikenNur wenn die Führungsstruktur den Veränderungsprozess bejaht und aktiv unterstützt, kann von den einzelnen Mitarbeitern das notwendige Engagement erwartet werden.
  3. Service Management Strategie als Veränderungsprojekt
    • Vision und Ziele der Service Management Strategie
    • Was bedeutet die Service Management Strategie für mich im Alltag?
      o    Was heisst Prozessorientierung?
      o    Was heisst Kundenorientierung?

Ein Kernpunkt dieses ersten Modules ist die Sensibilisierung der Notwendigkeit der Veränderungsprozesse. Lesen Sie auch folgenden Beitrag zur Governance.

Modul 2 Verändern I
Inhalt dieses Moduls ist das Aufzeigen und Einprägen von motivierenden Perspektiven als Hebel für den notwendigen Veränderungsprozess.
Hier muss zuerst das Management, – dann die Mitarbeiter –  konsequent in das Awarenessprogramm eingebracht werden, um eine langfristige und nachhaltige Organisationsentwicklung durch das Thema „Service-Kultur“  sicherzustellen. Das Serviceverhalten muss vorgelebt und eingefordert werden.

Motivations-Event mit Praxisbeispielen von Service-, Prozess- und Security-Awareness sollen den Nutzen der Service Management Strategie für jeden einzelnen Mitarbeiter aufzeigen:

  • Was sind die Perspektiven der IT Organisation?
  • Was sind meine Perspektiven?
  • Wie ist mein Beitrag zur Prozessoptimierung?

Schwerpunktthemen dieses Moduls sind:

  1. Best Practice Service Management
  2. Führungsverhalten
  3. Kulturentwicklung in Teams

 

Modul 3 Verändern II
Dieses Modul nimmt die Service Management Prozesse kritisch auf.  Die Prozesse werden gegebenenfalls neu durchdacht oder neu konfektioniert.

Hier ist eine spürbare Akzeptanz zu erwarten, – der sich ändernden Situation – auf allen Stufen innerhalb IT Organisation.  Das Prozessdenken sowie die methodische Schulung unterstützen den Veränderungsprozess indem Prozesse als solche erkannt und auch bezüglich Effizienz und Effektivität kritisch beurteilt werden.
Adhoc Verbesserungen sollen bereits zu Quick-Wins im Tagesgeschäft führen – unabhängig davon, ob die betroffenen Prozesse selbst bereits Gegenstand des Optimierungsprozesses im Rahmen der Umsetzung der Service Management Strategie sind.

Schwerpunktthemen dieser Phase sind:

  1. Service Management Ausbildung
  2. Methoden Ausbildung Prozessmanagement
  3. Qualitätsverbesserung durch Prozessoptimierung

 

Modul 4 Stabilisieren
In diesem Module wird die Verhaltensänderung der Organisation (Mitglieder) anhand der mit dem Start des Service Management Umsetzungsprogramms durchgeführten Erhebung gemessen. Die KPIs Kundenzufriedenheit und Mitarbeiterzufriedenheit liegen spürbar über dem Referenzpunkt.
Die Leistungsbereitschaft in der IT Organisation wird durch folgende Faktoren geprägt:

  • Rollenverständnis: Es herrscht eine Eindeutigkeit der Erwartungen an die Mitarbeit
  • Motivation: Der Mitarbeiter hält an seiner Identifikation fest, sich für die Erreichung der Unternehmensziele weiter verstärkt einzusetzen
  • Zufriedenheit: Der Mitarbeiter hat eine positive Assoziation in Bezug auf die Arbeitssituation
  • Zufkunftsplanug: Die Mitarbeiter sehen ihre Perspektiven in der neuen IT Organisation

Sicherstellung des kontinuierlichen Verbesserungsprozesses
Der Veränderungsprozess zur Verbesserung der Service- und Kundenorientierung ist nie ganz abgeschlossen. Es geht vielmehr darum, den erreichten Stand zu überprü-fen und diesen den sich ändernden Anforderungen gegenüberzustellen.

Daher werden die einzelnen Phasen mit unterschiedlicher Intensität immer wieder durchlaufen und sich an den neuen und aktuellen Bedürfnissen zu orientieren.

Schlussbetrachtung
Der Nutzen des Awarenessprogramm ist bereits in dem Umsetzungserfolg der Service Management Strategie begründet.  Ohne das Awarenessprogramm können die Ziele der Strategie und die daran verknüpften Nutzenpotentiale nicht realisiert werden.

Der Veränderungsprozess, von einer heute mehrheitlich funktional und technisch orientierten Organisation, hin zu einer prozessorientierten und damit verknüpft auch service- und  kundenorientierten Organisation lässt sich direkt in messbaren Nutzen aufzeigen.

2 Kommentare zu «Kommunikationskonzept: Vernachlässigter Erfolgsfaktor bei der Umsetzung von ITIL-Prozessen»

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