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5 Schlüssel-Prinzipien für ein erfolgreiches IT Service Management

Das Thema IT Service Management und ITIL als Best Practice Framework wird dieser Tage wieder stark kontrovers diskutiert. ITIL sei veraltet und für heutige Anforderungen unbrauchbar. Andere sehen in der Fülle des Umfangs das Modell als zu bürokratisch und für agile IT Organisationen völlig ungeeignet. Kein gutes Haar wird mehr an dem Framework gelassen, und trotzdem lassen sich jedes Jahr weltweit rund 300‘000 Personen in ITIL zertifizieren. Im ersten Quartal 2015 waren es über 70‘000, davon in Europa mehr als 25‘000. ITIL und IT Service Management ist ein Thema in den Organisationen – das lässt sich nicht weg diskutieren oder schlechtreden.

Formelle ITIL Exam-Statistics von Axelos
Formelle ITIL Exam-Statistics von Axelos

Durch die Auslagerung der IT in die Cloud wird das Managen dieser Services und Lieferanten nicht automatisch mit ausgelagert. Es bleiben Verantwortlichkeiten zurück, welche für die Sicherstellung der Qualitäts-, Security- und Compliance-Anforderungen besorgt sein müssen. Man muss sich also um die Service Levels kümmern, die dynamischen Änderungen ermöglichen und für einen stabilen Service Betrieb besorgt sein. Die Herausforderung dabei ist immer gleich: so effektiv und effizient wie möglich. Bürokratie ist fehl am Platz, genauso wie gut gemeintes, aber unkontrolliertes Gewerkle.

Wer heute ITIL als zu voluminös betrachtet, sieht offenbar den Wald vor lauter Bäumen nicht mehr. Es nützt nichts, den Wald zu roden und stattdessen ein paar Sträucher stehen zu lassen, damit die Übersicht einfacher wird. IT Services in der heutigen Komplexität mit einfachen Mitteln managen zu wollen, ist ein kühnes Unterfangen. Vor allem suggeriert es, dass durch das bewusste Weglassen von ITSM-Komponenten die Umsetzung einfacher und handhabbarer wird. Nur, ITIL ist kein Kochbuchrezept, wenn sich das viele Organisationen noch so sehr wünschen. Seine Geschichte startete auch als einfaches Konstrukt und hat sich aufgrund der Vielfältigkeit der Service Delivery Modelle als umfassender Leitfaden gemausert. Nun zu meinen, dass man hier Wort für Wort umsetzen muss, ist völlig verwegen. ITIL hat für alle etwas: Adopt und Adapt ist die Empfehlung.

Das ist im Grunde nicht wirklich neu. Trotzdem scheitern viele Organisationen in der Umsetzung, weil sie gerade diesem Trugschluss unterworfen sind, Prozesse wortgetreu realisieren zu müssen. Was man wirklich mit den Prozessen erreichen will, ist nicht wirklich klar. Und das Management nutzt die Prozesse nicht, um die Services oder Organisation zu steuern. So wird lieber der Leitfaden ITIL als ungeeignet verdammt anstelle an seiner eigenen Unfähigkeit zu zweifeln.

Egal, ob ITIL, COBIT, FitSM oder sonst ein Rahmenwerk als Leitfaden herangezogen wird, folgende 5 Prinzipien sind aus meiner Erfahrung einfach unerlässlich, um eine reelle Erfolgschance für ein nachhaltiges IT Service Management zu haben:

  1. Kundenerlebnis und Businessergebnis als wichtigstes Ziel in allen Services und Prozessen vorgeben

In einer Dienstleistungsbranche ist das positive Kundenerlebnis das hauptsächlichste Ziel überhaupt. Nur von diesem muss sich das Tun in der IT leiten lassen. Bei jedem Service und bei jedem Prozess sollte eine Outside-In Betrachtung gemacht werden: was hat der Kunde, das Business und der Anwender davon? Was stimmt ihn zufrieden? Die IT macht SLAs mit Kunden und verspricht 80% von Störungsbehebungen innerhalb einer gewissen Zeit. Diese technokratische Sicht mag IT intern wohl ein Gradmesser sein – aber für das Business oder den Anwender ist die volle Aufmerksamkeit im konkreten Fall der einzige Massstab. Siehe dazu unseren Blog-Beitrag: Service Level Agreements Fulfilled. Customer Unhappy

 

  1. Mit CSI als agile Governance Struktur die Flexibilität und Innovation ermöglichen

IT Service Management ist eine Führungsdisziplin. Es liegt in der Verantwortung des Managements, die Services zu managen und gegenüber dem Business und ihren Kunden zu verantworten. Wenn sich die IT Organisation dazu entscheidet, IT Service Management als Führungsdisziplin zu nutzen, dann muss die Steuerung der IT entsprechend darauf ausgerichtet werden. Die Abstimmung der Ziele mit dem Business, das Herunterbrechen der Ziele auf Services und Prozesse sowie die Festlegung der Verantwortlichkeiten für Nutzen, Kosten und Risiken sind wesentliche Voraussetzungen zur fokussierten Steuerung der IT-Organisation. Lesen Sie dazu unseren Blog-Beitrag: Managed Services in einem CSE – Controlled Service Environment.

Die fehlende Agilität ist eine der grossen Kritikpunkte, welche gerne ins Feld geführt wird, wenn über ITIL als Leitfaden gesprochen wird. Agilität ist heute eine wichtige Voraussetzung, um mit der Dynamik des Geschäftslebens Schritt halten zu können. Anstelle des grossen Wurfs zu wagen, soll eher in kleinen Schritten das Ziel erreicht werden. Gerade hier ist das CSI-Konzept von ITIL eine ideale Grundlage, agilen Methoden mit IT Service Management zu verbinden. Lesen Sie dazu unseren Beitrag: CSI 2.0: Make IT Service Management happen through Agile & Scrum

 

  1. Den Mensch im Kunden, Lieferanten und Mitarbeiter in den Vordergrund stellen

Der kritische Erfolgsfaktor von IT Service Management ist der Mensch. Er ist das wichtigste Asset – aber auch der Faktor, welche über seine Einstellungen, Verhalten und Zusammenarbeitskultur dazu beiträgt, ob ein Service als Kundenorientiert erbracht wird oder nicht. Ein Anwender ist eben keine Ticket-Nummer, sondern ein Mensch, der in seiner Arbeit behindert ist. IT ist in aller ersten Linie eine menschliche Disziplin und hat nur am Rande mit Technik zu tun: ABC-Workshop mit Apollo13 – Ein Showcase mit Paul Wilkinson, Gamingworks

 

  1. Chancen und Risiken ausgewogen berücksichtigen

Prozesse sollen helfen, die IT Geschäftsfälle strukturiert und kontrolliert abzuwickeln. Es geht vielfach darum sicherzustellen, dass die Abläufe ordnungsgemäss, sicher und unter Einhaltung von allen vorschriftsmässigen und regulativen Anforderungen abgewickelt werden. Dies hat so zu erfolgen, dass jederzeit alles nachvollzogen werden kann. Dies führt nicht selten zu übertriebenem Kontrollwahn.

Prozesse müssen jedoch nicht nur die Conformance gewährleisten, sie haben insbesondere auch die Performance zu unterstützen. Diese beiden Faktoren sind ausgewogen zu gewährleisten, keines darf auf Kosten des anderen erfolgen. Prozesskontrollen sind nicht bürokratisch umzusetzen, sondern der jeweiligen Situation und Sinnhaftigkeit anzupassen. Auch hier gilt: das Ziel der Kontrolle ist massgebend. Hinter jedem Risiko hat es auch eine Chance. Diese beiden in Balance zu halten, ist die Basis einer funktionierenden IT-Governance.

 

  1. Reporting auf Zielerreichung ausrichten und als Führungsgrundlage nutzen

Die Erreichung der Ziele oder vielmehr die rechtzeitige Erkennung, dass vom Ziel abgewichen wird, ist für einen CIO die wichtigste Orientierungshilfe, ob das Schiff auf Kurs ist. Ich erlebe immer wieder, dass Prozess-Reports erstellt werden ohne jeglichen Bezug auf die Ziele der IT-Organisation. Eine Ansammlung von Statistiken mag wohl beeindrucken – aber was sagt es gegenüber der Qualität der Serviceleistung aus?

Service Reports und Prozess Reports sind wichtige Hilfsmittel zur frühzeitigen Erkennung der Service-Qualität. Dementsprechend sollen diese von allem Anfang an bei den Prozessen und Services eingerichtet werden. Sehen Sie dazu unseren Blog: IT-Management Cockpit: der Spiegel der IT-Strategie-Umsetzung.

Fazit
Diese 5 Prinzipien können als Basis-Leitfaden für eine ITSM-Umsetzung genutzt werden. Egal, welchen Leitfaden genutzt wird, die Ziele des Unternehmens und die Erwartungshaltungen des Business muss letztlich als primäre Orientierungshilfe verwendet werden.  Eine kleine Anleitung für Mittelständer oder auch grosse Organisationen, welche klein starten wollen, habe ich folenden Blog verfasst: ITIL für KMUs: Die zentralen 4 plus Eine Domäne des ITSM.

Sehr gerne möchte ich Ihnen noch einen Beitrag von Robert Sieber empfehlen, der weitere wichtige Aspekte für eine erfolgreiche ITSM-Implementation im folgenden Podcast aufgearbeitet hat. Robert ist derzeit einer der am engagiertesten Speaker und Blogger im deutschen Sprachraum der immer wieder spannende Themen aufwirft und zu Diskussionen anregt.


 

6 Kommentare zu «5 Schlüssel-Prinzipien für ein erfolgreiches IT Service Management»

  1. Martin Pscheidl

    Hallo Martin,
    Ich gebe dir alles in allem mit deinem Artikel Recht. Ich möchte jedoch auch auf einen Schwachpunkt bei den Voraussetzungen und Annahmen zur Umsetzung deiner aufgezählten Punkte hinweisen: Viele Umsetzungen scheitern an den mangelnden Zielvorgaben.
    Häufig wissen CIOs gar nicht, dass Sie vom Weg abgekommen sind, denn sie kennen ihr Ziel gar nicht. Mir gefällt da der Ansatz von COBIT 5 sehr gut, wo klar zwischen Governance und Management unterschieden wird. ITIL mag zwar das richtige Framework für den Bereich Management sein, wenn es jedoch völlig am Verständnis für die Governance fehlt, dann haben die meisten Projekte und Umsetzungen einfach keine Grundlage. Sollte deswegen nicht vielleicht ein weiterer Punkt „Mache Business-Vorgaben!“ an erster Stelle stehen?
    lg,
    Averell

    1. Hallo Averell,
      danke für den Hinweis. Ja – das ist ein wesentlicher Punkt. Ich habe dies grundsätzlich in den ersten beiden Prinzipien zu adressieren versucht: 1. Businessergebnisse und Kundenerlebnis sind die primären Ziele. Im Punkt 2 geht es genau um diese Governance-Aspekte, welche Du adressierst. Die Abstimmung der Ziele aus dem Business hinunter auf die Vorhaben insbesondere das IT Service Management ist Key. Wenn diese Ziele nicht klar sind, ist jeder Weg falsch oder zufällig richtig. An was sonst, anstelle der Zielerreichung kann ich den Erfolg messen?
      Liebe Grüsse nach Wien
      –Martin

  2. Hallo Martin,
    bei diesem Blogbeitrag von Dir muss ich doch einige kritische Kommentare geben. Ich gehöre sicherlich zu den von Dir erwähnten Kritikern, formuliere jedoch meine Kritik nicht so wie Du in deinem Beitrag darstellst. Doch dazu später mehr.

    Einer meiner Hauptkritikpunkte ist das Prinzip “Best Practice”. Aus meiner Wahrnehmung führt dieses Verkaufsargument für ITIL zu häufig zu einem “blinden Kopieren” in den IT-Organisation. Ich höre immer noch Aussagen wie “ITIL schreibt das vor.” oder “Wir machen das wie von ITIL vorgeschlagen wird.” Ich kritisiere damit nicht die Inhalte sondern die Anwendung in den Unternehmen. Als Alternative schlage ich die empirische Prozessteuerung vor, wie sie beispielsweise in Scrum verwendet wird. Die IT-Organisation sollte aus meiner Sicht damit eigene Erfahrungen machen und sich kontinuierlich auf Basis dieser eigenen Erfahrungen verbessern. IT Service Management ist doch auch der generierte Mehrwert durch organisatorische Fähigkeiten, oder? Zu dumm, dass das viel Einsatz und Zeit kostet und damit (noch) nicht akzeptiert wird. Es ist einfacher, ITIL zu kopieren und die eigenen Leute auf die Schulungen zu schicken.

    Wie Du selbst sagst, ist es das wichtigste Element, die Personen abzuholen bzw. dort anzusetzen. Aus meinen ITIL-Trainings gehen die Teilnehmer in der Regel “abgefüllt” raus. Eine solche Masse an Wissen in drei Tagen… Und dazu noch für einen “normalen IT-Mitarbeiter” so viel unnützes Wissen… Meine FitSM-Workshops und die Erfahrungen aus meinen Lehrveranstaltungen mit jungen Studenten zeigen das Gegenteil. Die Teilnehmer nehmen wohlproportioniertes ITSM-Wissen mit und gehen damit motiviert an die Arbeit.

    Du schreibst, dass ITIL aus Sicht der Kritiker für agile IT-Organisationen nicht geeignet ist. Meine Frage ist: “Wie kann man das messsen bzw. bewerten und wie agil sind IT-Organisationen heute schon? Mit “agil” meine ich nicht die landläufige Einschätzung, dass man ein Board an die Wand hängt, kleine Post-It schreibt und planlos agiert, weil man bei “Agil-sein” nicht planen muss. Mit “agil” meine ich u.a. das planvolle Vorgehen sowie die Umsetzung und Anwendung von agilen Prinzipien und Werten. Konkret heißt das beispielsweise: Kundenfokus (dein 1. Punkt), kontinuierliche Verbesserung durch regelmässige Retrospektiven (dein 2. Punkt). In diesem Sinne kenne ich noch wenige agile IT-Organisationen.

    Deinen Vergleich “Wer heute ITIL als zu voluminös betrachtet, sieht offenbar den Wald vor lauter Bäumen nicht mehr. Es nützt nichts, den Wald zu roden und stattdessen ein paar Sträucher stehen zu lassen, damit die Übersicht einfacher wird.” finde ich gut! Wenn ich den weiterdenke bzw. auf meine Einschätzung übertrage, finde ich den Vorschlag einer Rodung garnicht so schlecht. Vielleicht ist die IT mit ihren Prozessen wirklich so zugewachsen, dass man mal kahlschlagen sollte. Da hilft es, die IT mal von außen zu betrachten. Die Welt außerhalb der IT ist so schnell geworden, dass die herkömmliche IT manchmal (oder auch häufiger?) einfach zu langsam ist. Alle IT-Argumente, dass die Umsetzung länger dauert, weil die Prozesse so laufen und alles so kompliziert ist helfen dem Business nicht, wenn die Konkurrenz einfach schneller ist und durch die eigene IT gebremst wird!

    Ich freue mich auf unsere Diskussionen beim Jahreskongress und lade Dich persönlich zu meinem Vortrag am 1.12. um 13:55 Uhr ein: “De-Scale your Organization” mit den Themen:
    – Anwendung agiler Werte und Prinzipien im IT Service Management
    – Empirische Prozesssteuerung statt Best Practice
    – Die neue Service Organisation
    – FitSM als erreichbare Basis im IT Service Management

    1. Hallo Dierk,
      habe mir schon gedacht, dass Du Dich melden wirst 🙂 Aber Du sagst es richtig, es sind nicht die Inhalte, welche falsch sind, sondner die Art wie umgesetzt wird. Man schlägt also den Sack und meint den Esel.
      IT Service Management ist aber keine einfache Disziplin. Es ist sehr komplex und sehr anspruchsvoll, daher scheitern auch soviele Umsetzungsprojekte. Zu suggerieren, dass mit weniger Inhalt eine bessere und nachhaltigere Lösung erzielt werden kann, wage ich zu bezweifeln. Der ITIL Leitfaden ist eine gute Grundlage für die verschiedenen Facetten des IT Service Management. Wenn jemand sich im Bereich Portfolio Management informieren will, dann findet er sehr gute und hilfreiche Informationen, die ihn weiterbringen. Ein anderer möchte sich vielleicht im Testing weiter bringen und findet auch in diesem Bereich fundierte Unterstützung. ITIL ist nicht und war nie ein Kochbuch mit einer genau zu verfolgenden Umsetzungsrezept.

      FitSM ist bestimmt eine sehr gute Lightversion mit nützlichen Templates, um den Einstieg zu erleichtern. Letztlich ist es eine abgespeckte Version von ISO20K und ITIL, wobei man sich auf das absolute Minimum beschränkt. Letztlich ist es auch nicht mehr als ein Hilfsmittel auf dem Weg zu ITSM, wie ITIL auch.

      Wir sehen uns in Weimar.

  3. Pingback: Einführung von IT-Service-Management - wie gelingt das?

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