IT4IT Referenzarchitektur 2.0

IT4IT – Das Wertkettenmodell, um das Business der IT zu managen

Wir stecken mitten in der vierten Industrialisierungswelle mit der Digitalisierung der Geschäftsprozesse. Die IT wird die Geschäftswelt noch viel stärker durchdringen und automatisieren, als wir uns das bis heute vorstellen können. Die digitale Transformation wird insbesondere die IT Organisationen enorm fordern, weil sie diesen Prozess für ihr Unternehmen steuern müssen. Organisationen, welche daran scheitern, werden für ihre Unternehmen zur Hypothek.

Die IT kann heute nicht mehr bloss eine Supportfunktion innerhalb des Unternehmens sein. Vielmehr muss sie helfen, die Innovation voran zu treiben und mit Hilfe derneuen Technologien wie Big Data, Cloud und IoT die Produktivität im Unternehmen zu steigern und die Kosten zu senken. Die meisten IT Organisationen sind jedoch nicht in der Lage, diese neuen Technologien zu implementieren und nutzenbringend dem Business zur Verfügung zu stellen. Die bestehenden IT Betriebsmodelle sind dazu nicht ausgelegt.

Die meisten Organisationen arbeiten immer noch in abgeschotteten Silos mit eigenen Werkzeugen und eigenen Datenpools. Zig Tools wurden beschafft zur Verwaltung und Unterstützung von irgendwelchen Arbeitsprozessen. Sei dies rund um die Projektplanung, der Entwicklung, der Datenmodellierung der Softwarepaketisierung, Lizenzüberwachung, des Supports oder des Betriebs. Trotz allem oder gerade wegen dieser Vielfalt besteht nach wie vor keine Transparenz. Es bestehen viele manuelle Schnittstellen, und Informationen sind nur spärlich und zudem nicht zuverlässig vorhanden. Eine durchgängige Sicht von der Strategie bis hin zur Auslieferung von IT Services ist in aller Regel gar nicht möglich. Der Nachweis zu erbringen, dass die IT einen versprochenen Mehrwert zu leisten vermag, erst recht nicht. So wie die IT ihre eigenen Geschäftsprozesse managt, muss sie sich den Vorwurf immer wieder gefallen lassen, dass sie zu teuer, zu langsam und zudem nicht gut genug ist.

Um die Transformation des Business zu unterstützen, muss die Art und Weise wie IT Services geplant, gebaut, ausgeliefert und betrieben werden, komplett überdacht werden. Es bestehen zwar bereits viele gute und etablierte Rahmenwerke und Standards wie ITIL®, COBIT®, PMBok oder viele andere mehr. Ein grosses Problem bei diesen Prozessframeworks liegt in der schlechten und oftmals unzureichenden Implementation und der darunterliegenden Informations-Tools. Die Werkzeuge arbeiten oft isoliert und können die Informationen nur schlecht austauschen. Wenn in Zukunft viel mehr automatisiert werden soll und zudem noch mit verschiedensten externen Providern zusammengearbeitet werden muss, dann sind die Voraussetzungen dazu heute meist nicht gegeben.

Die «Einhörner» unter den erfolgreichen IT-Unternehmen wie Flickr, Etsy, Google, Amazon, Netflix etc., welche uns die digitale Transformation vormachen und den meisten Unternehmen um Jahre voraus sind, haben ihr Betriebsmodell auf eine ganzheitliche und klar strukturierte Datengrundlage aufgebaut. Nur so können vollständig automatisiert Services entworfen, entwickelt und letztlich an die Kunden ausgeliefert werden.

IT4IT das Betriebsmodell für das Managen der IT

Die Open Group hat im Oktober letzten Jahres nun einen völlig neuen IT Management Standard auf den Markt gebracht: IT4IT. Das spannende an diesem neuen Standard ist der Grundaufbau als präskriptive und damit klar definierende Referenzarchitektur für ein IT Betriebsmodell – von der Unternehmensarchitektur über die Strategie-Definition, der Entwicklung, Auslieferung und Betrieb von IT Services. Ein Modell für das Managen der IT, das Business der IT.

IT-Value Chain, IT4IT
IT-Value Chain, IT4IT

IT4IT basiert auf Michael Porters Wertkettenmodell (Competitive Advantage). Die IT-Wertkette besteht demnach aus den folgenden miteinander stark verknüpften Werte-Ströme (Value Streams):

  • Strategy to Portfolio (S2P) – damit werden durch das IT Portfolio die Business Innovationen gefördert
  • Requirement to Deploy (R2D) – hier wird gebaut, was das Business bracht – zum Zeitpunkt wenn es benötigt wird
  • Request to Fulfill (R2F) – Hier wird der Service Katalog bereit gestellt, Services ausgeliefert und die Service Nutzung gemanagt
  • Detect to Correct (D2C) – Behandeln und Lösen von Produktions-Problemen

Dies mag auf den ersten Blick nicht speziell und neuartig klingen, ist das doch auch die Grundlage des Service Lifecycles von ITIL. ITIL basiert jedoch auf Best Practice Empfehlungen, dokumentiert in einem Leitfaden und den darin beschriebenen Prozessen. Diese sind in der jeweiligen Organisation zu adaptieren und mit der vorliegenden Technik umzusetzen. Das dies in seiner Ganzheitlichkeit praktisch nirgends wirklich gelungen ist, muss man trotz 20-jährigen Geschichte von ITIL und COBIT zugestehen.

IT4IT setzt auf einem ganz anderen Layer auf. IT4IT ist kein Prozessmodell, sondern basiert auf einem klar definierten Informations-Datenmodell. Sämtliche wesentlichen Informationen zur Führung einer IT sind in einem Funktionen- und Datenmodell sehr konkret beschrieben worden. Im Datenmodell sind die Datenobjekte sowie Use-Cases definiert und die Beziehungen untereinander klar deklariert worden. Auf Basis dieser Grundlage können nun Toolhersteller präzise Schnittstellen anbieten und Daten austauschen.

Das Informationsmodell ist in sich vollständig und auch stabil. Das Modell ist von den eingesetzten Methoden und Prozessen vollständig unabhängig. Das ist gerade das Interessante daran. Auf dieser Grundlage können Methoden wie DevOps eingeführt und Betriebsabläufe automatisiert werden. Auch die Integration von Cloud Service Providern kann auf dieser Grundlage umgesetzt werden – ein enormer Vorteil in einem Multiprovider-Umfeld. Das Modell ist selbst Produkte- und Technik-neutral. Aber wir dürfen gespannt sein, wie viele und wie schnell Provider und Tool-Anbieter auf diese Referenzarchitektur reagieren und ihre Werkzeuge und Schnittstellen danach ausrichten werden.

Die Basis, respektive das Rückgrat des Datenmodells bildet das Service Modell, welchem IT4IT zugrunde liegt. Die Serviceorientierung der IT wird damit als Grundlage des IT Betriebsmodells vorgegeben. An diesem Punkt müssen die meisten grossen IT-Organisationen noch arbeiten, sehen sie das Thema Service Management doch primär als Aufgabenbereich der IT Operations.

IT4IT Service Model Backbone
IT4IT Service Model Backbone

Die funktionalen Komponenten (blaue Kästchen) in jedem Value Stream bilden die Basis für eine IT Information Tool, sozusagen ein Software Building Block. Jeder dieser funktionalen Komponenten bewirtschaftet mindestens ein Datenobjekt (schwarze und rosa gefärbte Kreise) des Informationsmodells. Die rosa gefärbten Kreise entsprechen dem Service Backbone wie oben beschrieben.

IT4IT Referenzarchitektur 2.0
IT4IT Referenzarchitektur 2.0

Welcher Nutzen kann erwartet werden?

Alles was in der IT gearbeitet und gemacht wird, sollte immer einem IT-Service zugeordnet werden können, welcher letztlich einen Mehrwert für das Business liefern soll. Dies trifft für Arbeiten am Projekt, bei der Entwicklung der Services, bei Durchführung von Änderungen oder beim Lösen von Incidents genauso zu. Bei IT4IT geht es darum, diese Verbindungen der Aktivitäten an und um den Service klar zu definieren und damit die Grundlage der Transparenz auf Basis der Beziehungen zwischen den Datenobjekten zu schaffen.

IT4IT hat das Business der IT in vier Wertströme aufgeteilt. Jede dieser Wertströme (Value Streams) repräsentiert einen Schlüsselbereich innerhalb der IT, welcher einen «Wertbeitrag» im Service Livecycle beiträgt. Innerhalb des Value Streams sind die Funktionalen Komponenten (Informations-Tools) angesiedelt, welche auf die Daten gemäss dem Referenzmodell zugreifen können.

Strategy to Portfolio

Hier geht es um die Fragestellung, werden die Investitionen in die richtigen Services getätigt und ist das IT Portfolio auf die Business Strategie ausgerichtet.

Typische Fragestellungen in diesem Value Stream sind:

  • Welche IT Services und Applikationen haben wir in unserem Portfolio
  • Wie gut sind die IT Services auf die Business Strategie ausgerichtet
  • Was ist der konkrete Nutzen der IT Services für das Business
  • Was kosten uns die IT-Services – und was sind deren Risiken
  • Wie werden die IT-Services von den Lieferanten bereitgestellt
  • Welche Technologien sind end-of-life und sollten bald ersetzt werden
  • Wie sieht die Roadmap der kommenden Jahre aus
S2P - Value Proposition
S2P – Value Proposition

Die End-to-End Sicht des IT Portfolios wird dadurch erreicht, dass der Fokus beim IT-Service auf den zu erzielenden Business Outcome gelegt wird.

Requirement to Deploy

Hier geht es um die Definition, Entwicklung, Test und Deployment von neuen IT Capabilities – zur richtigen Zeit mit den korrekten Kosten und der abgestimmten Qualität.

Es muss sichergestellt werden, dass sowohl die Business Anforderungen wie auch die Betrieblichen Anforderungen wie Sicherheit, Verfügbarkeit, Wartbarkeit und Performance erfüllt werden. Der Value Stream ist sowohl für Eigenentwicklungen wie aber auch eingekaufter Software oder bei der Integration von SaaS-Services zu berücksichtigen. Sämtliche Changes, Release unabhängig ihrer Grösse werden hier abgewickelt.

R2D - Value Propostion
R2D – Value Propostion

Der Mehrwert liegt insbesondere in der Sicherstellung, dass der Service Release die Business Erwartungen erfüllen.

Request to fulfill

Hier geht es um die Bereitstellung qualitativ hochstehender Services und der Ermöglichung, diese nahtlos zu nutzen und entsprechend zu überwachen.

Dieser R2F Value Stream ist für die IT Organisationen wichtig, um die Rolle eines Service Brokers wahrnehmen zu können. Immer mehr werden von Unternehmen externe Lieferanten für Güter und Services beigezogen. Durch die vermehrte Nutzung von Cloud Computing Angeboten wird sehr rasch ein Multi-Sourcing-Umfeld aufgebaut, welches im Rahmen dieses Value Streams beherrscht werden muss.

R2F - Value Propsition
R2F – Value Propsition

Mit dem R2F Value Stream soll ein Portal und damit Zugang zu einem ganzheitlichen Service Katalog bereitgestellt werden, welches den Zugang zu den Services und deren Nutzung sicherstellt.

Detect to Correct

Hier geht es um das Reagieren von Business Problemen und das entsprechende rasche und effiziente Lösen. Es wird auch ein Feedback Loop angestossen, um Verbesserungspotentiale in die vorliegenden Value Streams einzubringen.

In diesem D2C Value Stream geht es um die Sicherung des kontinuierlichen Betriebs der IT Services an das Business. Hier wird ein Framework bereitgestellt, bei welchem alle beteiligten Parteien (interne und externe Supplier) ihre Daten austauschen können.

D2C - Value Proposition
D2C – Value Proposition

Der grosse Nutzen in diesem Value Stream liegt in der Vermeidung von Betriebsunterbrüchen, der rechtzeitigen Identifikation und Priorisierung von Problemen und in dem optimalen Datenaustausch mit dem Business und den beteiligten Parteien zum besseren Verständnis des Business Impacts.

Fazit

IT4IT ist ein neuer Standard, welcher sich sicherlich noch durchsetzen muss. Es wird eine Weile dauern, bis die Hersteller Ihre Werkzeuge und Informations-Management Tools danach ausgerichtet haben. Es ist in dieser Form aber einmalig und ersetzt oder verdrängt keines der bekannten Prozessframeworks. Es ist vielmehr eine ideale Ergänzung, weil durch die präzise Definition der Datengrundlage, die Instanziierung der Prozess Capabilities vereinfacht werden.

Wie schnell grosse IT-Organisationen aber den Wechsel zur Serviceorientierung schaffen, steht nach wie vor in den Sternen.

Es wird ab Q2 2016 formelle Trainings zu IT4IT geben (Foundation). Die Glenfis ist bereits Mitglied des IT4IT Forums und richtet sein Portfolio danach aus. Bereits im aktuellen SIAM Praxis Workshop wird eine erste Übersicht über die IT4IT Referenzarchitektur gegeben.

Die IT4IT Referenzarchitektur ist Online hier verfügbar.


 

4 Kommentare zu «IT4IT – Das Wertkettenmodell, um das Business der IT zu managen»

  1. Och, schon wieder ein Framework. Oh wie langweilig…

    …dachte ich noch, als ich vor Jahresfrist darauf aufmerksam wurde und in der Folge niemals mehr davon hörte.

    Scheinbar hat die Open Group jetzt das Geheimnis gelüftet und ermöglicht Zugang zu den Dokumenten. Hier und andernorts kann man schon erste Eindrücke zu IT4IT finden. …Die ich aufmerksam studiert habe. Die Originale liegen noch in meinem Lesepool; es braucht Zeit, das Framework, besser, den Ansatz, die Potentiale zu verstehen, zu verinnerlichen.

    Schon jetzt glaube ich, dass IT4IT eine Lücke schließt, die viele Anbieter in der IT versucht haben, selbst auszufüllen. Beispiele gäbe es genug. Wenn wir – wir, die IT-Branche – nicht wieder in alte Muster verfallen, alles versimplifizieren und zu ver-zertifizieren, greift der Gedanke, alles was in der IT getan wird, einem Service, einer nutzenstiftenden Aufgabe zuzuordnen.

    Die Defizite kennen wir, sind hier im Beitrag von Martin nochmals sehr gut aufgearbeitet worden. Jetzt geht es darum, eine Plattform zu schaffen, auf der die Umsetzbarkeit für die “Betroffenen”, die Übersetzung, die Transformation gemacht werden. Die Gefahr, dass das Ganze als theoretisch-gut gemeint abgetan wird ist sonst viel zu groß.

    Die Stoßrichtung ist für mich klar: IT-Organisationen, die sich im Multi-Service Providing, auf der dritten Plattform aufstellen und erfolgreich agieren wollen, sind die Zielgruppe: Unternehmer, Manager/Entscheider. IT-Verantwortliche auch, wenn sie denn wollen.

    Ich sehe grenzgeniale Verknüpfungen zur Transformation-IT, die wegen der Digitalisierung nebst dem IoT dringend erforderlich ist – ein möglicher kommender Standard für Architekturen – organisatorisch, prozessual, interagierend. Das Modell der elleta-Gruppe, der Transformation von (ehemaligen) IT-Abteilungen hin zum Service Providing ergibt endlich einen Sinn, weil ein Fahrplan, ein Modell vorliegt.

    Machen wir etwas Vernünftiges daraus (und bitte nicht kaputt beraten).

    Viel Erfolg und viele Mitstreiter,
    Peter Bergmann

  2. Zitat: Die «Einhörner» unter den erfolgreichen IT-Unternehmen wie Flickr, Etsy, Google, Amazon, Netflix etc., welche uns die digitale Transformation vormachen und den meisten Unternehmen um Jahre voraus sind, haben ihr Betriebsmodell auf eine ganzheitliche und klar strukturierte Datengrundlage aufgebaut.

    Diese Anbieter sind nur deshalb vielen voraus, weil sie keine Standardsoftware/Dienste verwenden, sondern die Software so anpassen, dass es a) für ihr Business passt und b) so schlank (Microservices/APIS) wie möglich halten. Um eben schnell und von mir aus agil an neue Gegebenheiten anzupassen. So ist die Organisation und Methoden dahinter fast von alleine gegeben!
    Das ganze T-Shaped, IT4IT, Designt-Thinking Dünnschiss Gelaber ist so völlig überflüssig. Es müssen nicht in erster Linie die Organisationen und Methoden verändert werden! Die alten Applikationen-Moloche müssen weg!

  3. Markus Lindinger

    Ich bin schon seit 20 Jahren ein Fan von Michael E. Porter. Schon während ich seine “Wettbewerbsstrategien” las, habe ich begonnen, meine eigenen Wertschöpfungsketten zu bauen.
    Das Buch ist auch der Hammer, wenn man wissen will, wie man Strategiemanagement praktisch umsetzt. Das hätten sich die ITIL-Leute mal anschauen sollen.

    Was mich an IT4IT einzig stört, ist dieses seltsame Akronym.
    Instead, let’s do “IT4Customer”, ok?

    1. Martin Andenmatten

      Hallo Markus, ja der Eindruck kann entstehen, dass es sich nur um die IT selbst handelt, wenn man IT4IT nur als Begriff sieht. Andererseits zielt es auch genau darauf ab, die “Fabrik” IT neu auszurichten und Silos aufzubrechen.

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