In zahlreichen IT Service Management Assessments und Prozess-Verbesserungs-initiativen stelle ich immer wieder fest, wie weit weg die Gralshüter der Prozessbeschreibungen von dem tatsächlichen Geschehen in den IT Abteilungen entfernt sind. Die Prozesse sind zwar oft nach den Best Practice Empfehlungen von ITIL beschrieben – aber irgendwie finden diese in der täglichen Arbeit keine Anwendung und damit keinen wirklichen Nutzen. Jede Diskussion rund um die Prozesse verkommt zu einer administrativen Pflicht-Übung. Frustrierend für das Team, welches sich um die Qualität der Prozesse kümmern muss und will – und noch unbefriedigender für die, welche die Leistungen tagtäglich liefern müssen. ITIL verkommt zu einer kostspieligen Administrationsübung.
Die Gründe sind bei näherem Hinschauen und Hinterfragen oft die Gleichen: Es wurden Prozesse nach Lehrbuch entwickelt und mit viel Fleiss dokumentiert. Es wurde aber verpasst, die eigenen Arbeiten innerhalb der IT damit zu verzahnen. ITIL war das Ziel – und nicht, das was man eigentlich damit erreichen wollte. Das Management hat es nicht verstanden (wollen), was sie mit der Umsetzung von ITIL Prozessen erreichen werden. Irgendwie ist man von der irrigen Annahme ausgegangen, dass die Mitarbeiter nun wohl effizienter und effektiver arbeiten werden – was letztlich ja gut ist. Dass es an ihnen selber liegt, dass es zum Erfolg führt, hat man wohl gehört – aber in aller Regel nicht wirklich verstanden.
In der Folge stehen viele Organisationen nachwievor am gleichen Ort wie vor dem “ITIL-Projekt”. Ja, vielleicht hat man sich nun ein ITSM-Tool beschafft. Und ja, man kann auch einen Service Katalog vorweisen, welcher letztlich aber nicht mehr als eine Applikations- oder Stückliste von IT Anwendungen darstellt. Worin liegt der echte Mehrwert der ITIL-Übung? Hat die Kontrolle über die Ressourcen zugenommen? Besteht Klarheit und Transparenz über das Geschehen in den IT Abteilungen und Rechenzentren?
Die Hoffnung muss wohl schnell der Ernüchterung weichen. Was soll also das Gerede von Prozess-Optimierung, wenn die Original-Prozesse nie wirklich zur Anwendung gekommen sind? Ich kann den Frust der eingangs beschriebenen Gralshüter der Prozessdokumentation mehr als verstehen.
Dabei liegt es eigentlich auf der Hand: man versucht immer wieder das Pferd beim Schwanz aufzuzäumen. Wie beim Architekten das Haus, dem Ingenieur das Auto, dem Bäcker das Brot im Zentrum steht, muss beim Service Provider der Service im Fokus sein. Nur wenn ich als Service Provider verstehe, wie ich meinem Business einen spürbaren Mehrwert mit meinen Services bieten kann und wie ich damit seine Geschäftsprozesse unterstütze, nur dann werde ich all meine Leistungen darauf ausrichten können. Wie schafft es ein Architekt, dass seine Vision von einem Haus durch all die beteiligten Arbeiter und Firmen umgesetzt wird? Darin liegt wohl die Kunst.
Wie hat es doch der kleine Prinz von Antoine de Saint-Exupery so gut beschrieben: “Wenn Du ein Schiff bauen willst, dann trommle nicht Männer zusammen, um Holz zu beschaffen, Aufgaben zu vergeben und die Arbeit einzuteilen, sondern lehre sie die Sehnsucht nach dem weiten, endlosen Meer.” Darin liegt in der Tat die Kunst: das Entfachen der Sehnsucht – was es dann braucht, wissen die Mitarbeiter in aller Regel bereits selber.
Mit dem klar verstandenen Ziel vor Augen, einen echten Mehrwert für das Business erbringen und die Anwender in ihrer täglichen Arbeit best-möglichst unterstützen zu können, lassen sich Prozesse plötzlich ganz anders umsetzen. Es wird nun selbstverständlich, dass Störungen so schnell wie möglich behoben werden. Und um Zeit zu gewinnen, wird der Prozess schlank gehalten. Und es wird sofort allen klar, dass nicht unabgestimmt Änderungen an Infrastrukturen vorgenommen werden dürfen. In einem solchen Umfeld müssen sich alle an die Spielregeln halten und Feedback wird zur gelebten Verbesserungskultur.
Wie der kleine Prinz so soll auch die Vision des Service Providers für ein “Controlled Service Environment” zu einer sich lohnenden und motivierenden Prozessarbeit entwickeln. Nicht der Prozesse wegen – sondern der damit erreichten Business-Ziele. Ein zufriedener Kunden ist das absolut höchste Gut in einer Service Organisation. Und dazu beitragen zu können erfüllt jeden mit Stolz.