IT4IT – die Basis für eine Toolchain-Architektur
Wenn in Zukunft alles schneller, besser und billiger abgewickelt werden soll, dann kommt man um die Automatisierung und reibungslose Integration von Funktionen und Prozessen nicht herum. Darauf zielen letztlich auch die agilen Methoden ab, die derzeit sehr en vogue sind. Dass es für deren Erfolg aber primär auch um kulturelle Aspekte geht, möchte ich an dieser Stelle nicht in Abrede stellen. In diesem Beitrag möchte ich aber die Auswirkungen auf die Tool-Landschaft in Unternehmen beleuchten.
IT-Services sind komplexe Gebilde, mitunter auch kompliziert. Damit ein IT-Service in seiner End-to-End Betrachtung zum Fliegen kommt, bedarf es vieler Spezialisten und externer Provider, die alle ihren Beitrag dazu leisten. Es gibt praktisch niemand mehr in einem Unternehmen, der von einem bestimmten IT-Services genau weiss, wie der IT-Service genau funktioniert und zusammengesetzt wird. Jede beteiligte Funktion bringt sein Spezialwissen ein und organisiert sich rund um seine Verantwortlichkeit.
Das IT-Organisationen in ihren Silo-Türmen sitzen und sich «ihre» Welt zurechtzimmern, ist längstens bekannt. Die kulturellen Clashes, welche bei der Forderung nach besserer Zusammenarbeit gewarnt wird, kommt daher nicht von ungefähr. Das fängt auch bereits bei der Strategie und der Planung von neuen IT-Projekten an. Ganz zu Beginn einer Idee ist die Sicht auf einen späteren IT-Services nicht bloss vernebelt – er ist oft gar nicht erst existent. Die Idee wird dann in Lösungen gegossen und je nach beteiligten Teams dann von Silo-Turm zu Silo-Turm weitergereicht. Jedes Silo ist darauf bedacht, die neue Lösung in seine Welt und Toollandschaft zu integrieren und mit Daten und Funktionen zu ergänzen, bis es letztlich nach mehreren Hürden auf einer produktiven Umgebung dem ungeduldig darauf wartenden Benutzer zur Verfügung gestellt wird.
Bis jetzt war das auch nicht wirklich ein Problem. Unzulänglichkeiten konnte man auffangen und jeweils lokal zwischen den angrenzenden Teams bereinigen. Man bleibt sich dann gegenseitig immer etwas schuldig. Nun hat aber der Wind gedreht. Die Unicorns machen es vor: die Taktrate muss drastisch erhöht werden. Neue Betriebsmodelle mit Cloud Diensten gehören mittlerweile ins Portfolio. Neue Methoden wie DevOps, Continuous Integration und Delivery sind angesagt. Da die bestehenden Teams dies nicht zu ihrer angestammten Arbeitsweise auch noch übernehmen können, geht man mit dedizierten Teams bi-modal ans Werk und baut sich wiederum eigene Welten – man könnte hier auch «neue Silos» sagen.
Und genau hier ist eines der Grundübel in den heutigen Betriebsmodellen der IT. Jede Organisationseinheit hat heute seine eigenen Tools mit oft isolierten Datenbeständen. Nicht selten sind in IT-Organisationen über 100 Werkzeuge und zig Excel-Tabellen im Einsatz mit einem mehrfachen von Schnittstellen welche mehr oder weniger dokumentiert sind. Eine Übersicht der Werkzeuge ist in aller Regel nicht vorhanden und die Qualität der Daten ist vielfach zweifelhaft. Jedes Team implementiert «seine» Prozesse nach eigenen Bedürfnissen und beschafft sich entsprechend die Tools, welche ihre Anforderungen optimal abdecken. Die Daten sind nicht durchgängig vorhanden und schon gar nicht transparent oder gesichert.
Was bei der Manufactur von Produkten im Business nicht denkbar ist, ist in der IT gang und gäbe: Bei der Planung, Realisierung, Implementierung und Betrieb gibt es keine durchgängige Datenstruktur und Informationskette. Wenn heute bestimmte Rollen wie der Projektleiter, Change Manager oder Solution Architekt genaueres über den Herstellungsprozess wissen will, dann hat er keine klare Sicht auf wo welche Daten sind und ob diese auch verlässlich sind. Nicht selten muss er sie sich in der Organisation zusammen erfragen und suchen. Auch danach ist er sich nicht wirklich sicher, ob er auf verlässlichen Daten aufbauen kann. Dass es bei solchen Konstellationen am Schluss zu Überraschungen kommen kann, dass die ursprüngliche Idee über die verschiedenen Stationen bis hin zum Betrieb nicht mehr identisch ist, mag nicht wirklich erstaunen.
Wenn Automation der Schlüssel der kontinuierlichen Integration und Bereitstellung ist, dann vermag diese Art von IT Betriebsmodell nicht genügen. Und wenn auch die verschiedenen Hüter ihre Tools mit Schnittstellen und APIs versuchen im Spiel zu behalten, um eine Toolchain zu ermöglichen. Schneller, besser und vor allem auch billiger wird es bestimmt nicht.
Es braucht eine Tool-Governance und eine Tool-Architektur, will man den Ansprüchen der Zukunft genügen. Es muss vorbei sein, dass jedes Team und jeder Spezialist das für ihn optimale Werkzeug beschafft und für sich Daten sammelt, die im Unternehmen keinen weiteren Nutzen haben. IT4IT kann hier eine gute Grundlage und Referenz spielen.
IT4ITTM ist dabei nicht einfach ein neues Prozess-Modell, welches versucht, die etablierten und mehr oder weniger gut implementierten Frameworks wie ITIL® oder COBIT® zu verdrängen. Es ist vielmehr eine bis heute vermisste Ergänzung zu den bekannten Frameworks mit ausführlich beschreibenden Anleitungen für ein integriertes IT-Betriebsmodell wie die notwendige IT-Funktionalität designt, beschafft und implementiert werden soll. Dabei basiert IT4ITTM auf folgenden vier Säulen:
- Daten & Informationsmodell – einem Daten-Entitäten-Modell mit allen Kerndaten-Objekten, Attributen und Beziehungen
- Funktionenmodell – die Festlegung der zentralen IT Management Systeme zur Bewirtschaftung der Daten und der Ermöglichung der Automatisierung
- Integrations-Modell – für die Verknüpfung von Prozessen, Daten und Systemen, um den Mehrwert zu liefern
- Service Modell – Das Rückgrat des Wertkettenmodells basiert auf dem Service LifeCycle
IT4IT kann nun ein guter Startpunt für die Erstellung einer tragfähigen Toolchain-Architektur bilden. Auch wenn IT4IT noch nicht in allen Details abschliessend definiert ist, gibt es eine auf die geforderte Wertschöpfung ausgerichtete Funktionen- und Informationstruktur. Wie dies umgesetzt werden kann, können Sie in meinem letzten Blog «Das IT-Betriebsmodell der Zukunft – Blueprint auf Basis von IT4IT»erfahren.
Hallo Martin,
dein Beitrag lese ich als Appell, endlich, endlich die Komplexität aus den Strukturen zu ziehen und um Zuverlässigkeit und Berechenbarkeit als IT Dienstleister nicht immer so einen Wohau zu machen. Dem kann ich nur beipflichten und mit einigen Gedanken zur verbesserten Aufmerksamkeit helfen.
Meine steile These gleich zu Beginn: Solange wir IT-Betriebsmenschen weiter mit Qualität, Kundennähe und Dienstleistermentalität konfrontieren, werden auch die noch zu erfindenden Referenz- und Vorgehensmodelle verpuffen. Abgesehen von der gnadenlosen Vermarktung, der um sich greifenden Schulungsindustrie und des Powerpoint-Wahnsinns, inklusive viele platter Blogs, erkennen nur wenige das Potential in den Methoden.
“IT4IT kommt 10 Jahre zu spät” sagt unser Kollege Sieber und hat damit recht. Liegt aber auch brutal daneben, denn in 10 Jahren werden ganz sicher weite Teile der IT dieses Modell nicht einmal wahrnehmen.
Du sprichst ganz richtig Automatismus und Dateninseln an. Das Erste wird gebraucht, das Zweite ist die Normalität überall. Je größer die Unternehmen sind, umso absurd komplex sieht dort die Toollandschaft aus. Hersteller mag es freuen; Technik-Consultants auch, aber faktisch wird der Wald immer dichter und die Datentöpfe zunehmend unübersichtlicher.
Nun gibt IT4IT eine tolle Referenzarchitektur für Service Provider vor; die konsequent genutzt, tatsächlich Effizienz- und Wertsteigernd für Unternehmen sein kann. Da nach meinen Erfahrungen kaum ein IT-Manager sich damit auseinandersetzt, geschweige denn seine Organisation danach ausrichtet, bleibt es Wunschtraum, die eigene IT jemals als Partner des Business auf Augenhöhe bzw. am selben Tisch (zum selben Meeting!) anzutreffen. Hoch lebe die Schatten-IT, die wir auch mit einem neuen Vorgehensmodell bekämpfen müssten – gibt es schon Veröffentlichungen dazu?
Unlängst verkündete der CIO der Sparkassen-IT Bayern auf einem Symposium sein Jahresziel für 2017: Die Reduzierung der eigenen Fertigungstiefe. Dazu legte der den Cayenne-Faktor als Maßstab vor: also nur noch 12,5% eigener IT-Betrieb – der Rest wird gezielt zugekauft. Ich denke, dass nur derartige, radikal formulierte Ziele, den System-Wirrwarr abbauen. Möglicherweise ist der Mann von der Motivation der Autoren von IT4IT überzeugt und sieht sich und seine Organisation als Glied der Wertschöpfungskette. Ich kann ihm nur wünschen, dass er sein Ziel erreicht und hoffen, dass wir auf verantwortliche IT-Manager treffen, die intellektuell mit dem Referenzmodell etwas anfangen können und dieses gezielt einsetzen wollen.