Beim alljährlichen Ausmisten meiner Datencontainer – das neue Jahr beginnt ja immer mit guten Vorsätzen – bin ich am Wochenende über eine sehr interessante Studie von Deloitte aus dem Jahr 2009 gestolpert. Damals wurden weltweit knapp 2000 IT-Entscheider und CEOs zur Bedeutung der Informationstechnologie in ihrem Unternehmen befragt. Die Ergebnisse bestätigten nachhaltig, was eigentlich vorher schon alle wussten: Der Graben zwischen IT und Business schien tief und unüberwindbar wie schon in den Jahren zuvor.
Deloitte-Umfrage 2009: Der CIO wurde hauptsächlich zur jährlichen Budget-Runde in der GL wahr genommen
IT-Themen standen damals selten – meist nur bei ergebnisrelevanten Projekten – auf der Agenda einer Geschäftsleitung. Der Trend hin zum “Business-Enabler”, zum proaktiven, kundenorientierten Service-Provider war zwar die logische Schlussfolgerung dieser Studie, wollte man sich als IT-Abteilung auch zukünftig noch im Wirbel der neuen Sourcing-Strategien und unter weiter zunehmendem Kostendruck behaupten. Konfrontiert mit den Ergebnissen der Studie und genährt durch das permanente Überschreiten der eigenen Schmerzgrenzen gingen daraufhin viele CIOs in die Offensive. Oftmals gelangen die Migrationen exzellent, die angewendeten Methoden beeinflussen auch heutige Best Practice Ansätze für organisatiorische Changes und IT Service Management. Der weitaus grössere Teil dieser Befreiungsversuche aber führte zu kurzfristigen Insellösungen, welche durch neue Business-Tsunamis längst weg geschwemmt wurden. Einige wenige (?) CIOs versuchten gar, sich nach eigenem Gusto ohne Beteiligung des Business aus dem Schattendasein zu befreien und ernteten dabei nur fragende bis mitleidige Blicke aus der Chef-Etage…wenn nicht sogar schlimmeres. Die Gründe liegen auf der Hand, denn wer den Teufel mit dem Beelzebub austreibt, sitzt nach wie vor zu nah am Grill.
Strategieumfrage Capgemini: IT und Business rücken näher zusammen
Inzwischen sind gut drei Jahre vergangen und die Wunden sind weitgehend verheilt. Längst ist in beidern Lagern klar, dass man ohne den anderen nicht weit kommt. Eine Marktstudie von Capgemini zu den Trends der IT in 2012 sieht den neuen CIO auch klar in der Rolle eines IT-Partners, der seinen Auftraggeber versteht und optimal in der Erbringung seiner Business-Services unterstützt und dessen Business versteht – ohne jedoch den Blick auf eine darauf optimierte IT-Servicerorganisation zu verlieren. Dieser Trend birgt natürlich auch ein erhebliches Gefahrenpotenzial für den CIO – denn selten kann ein technisch konditionierter IT-Entscheider alle Bedürfnisse und Wertschöpfungsketten seines Auftraggebers erfassen und optimal unterstützen. Analysten prophezeien nun für die kommenden Jahre einen Umbau der IT-Abteilungen in eine rein technische, betriebsorientierte IT und eine neue Division, die als Mittler zwischen eigentlicher IT und Business fungiert. Diese neuen Funktionsträger benötigen dabei aber einen hohen Anteil an Business-Knowhow sowie hohe soziale und kommunikative Skills – neben den notwendigen IT-Fachkenntnissen.
Mir drängen sich dabei einige Fragen auf – obwohl dieser Ansatz das Thema sicherlich in die richtigen Bahnen lenkt:
- Wird nun das Business-Knowhow sukzessive in die IT verlagert, sei es in Form von Prozess-Kompetenz und/oder gar Ownership?
- Wie werden die Business-Responsibles damit umgehen, wenn sie einen Teil ihrer Kernkompetenzen an die IT abtreten?
- Und – wer sind diese neuen Alleskönner, die als Brückenschlag zwischen IT und Business agieren und aufgrund ihrer hohen Kompetenz ebeso Manager auf beiden Seiten sein könnten?
gemäss Trendumfrage Capgemini liegt die Erfüllung bestehender SLAs nur auf Prio 3
Die Frage von Capgemini nach den Budget-Ausgaben und Prioritäten macht jedoch deutlich: Der Trend ist nicht mehr aufzuhalten. Die Verbesserung der Businessprozesse hat innerhalb der IT gemäss Befragung bereits Vorrang vor der Stabilität der IT-Services – bemerkenswert und sicher auch bedenklich. Vor allem dann, wenn die IT-Entscheider wieder neuen Trends nachjagen, ohne dass ihre Auftraggeber diese tragen und mitgestalten.
Es muss also vorrangig gelingen, die Geschäftsleitung als Befürworter und Sponsor für diesen Umbau zu gewinnen. Dies kann durchaus in Form kleiner Steps innerhalb der eigenen IT Organisation und das damit verbundene Säen von gleichen Begehrlichkeiten in der Chefetage einher gehen. Wichtig ist in jedem Fall ein methodischer Ansatz, den die von uns geschulten und angewendeten Frameworks längst verfolgen: Das Business gibt durch Strategie, Governance und Business-Anforderungen den Takt vor, zu dem die IT nicht nur tanzt, sondern zusätzlich die Instrumente spielt. Wer diesen Takt nicht versteht, der spielt Walzer zum Tango-Rhythmus…und dabei fallen mache Tänzer auf die Nase 😉
Ohne aktuelle und bewährte Best Practices wie COBIT(R) und ITIL(R), in denen die Business-Nähe schon obligatorisch vorgegeben wird, kann man den Umbau seiner IT Service-Organisation in Richtung Business Alignment natürlich auch angehen.
In diesem Fall heben Sie diesen Artikel bitte auf und lesen Sie ihn in drei Jahren einfach nochmals – es sollte annähernd stimmen 🙂
Auf ein spannendes, businessnahes IT-Jahr 2013!