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USMBOK – Das universale Service Management Body of Knowledge von Ian M. Clayton

Mit dem Thema Service Management wird unweigerlich das Framework ITIL verbunden. ITIL gilt seit Jahren als der defacto Standard für IT Service Organisationen. Mehr noch, ITIL versucht seit der neuesten Ausgabe in Edition 2011 sogar das Wort “IT” komplett zu verbannen und spricht praktisch ausschliesslich nur noch von Service Management. ITIL ist dabei bestrebt, sich als generischer Good Practice Leitfaden zur Planung, Umsetzung, Betrieb und Überwachung von Service Management Disziplinen zu positionieren.

Mehr als 95% der ITIL Bücher beschäftigt sich aber primär mit der internen (IT) Organisation. Es geht in erster Linie darum, alle Prozesse und Verfahren so zu standardisieren, dass möglichst effizient Services an Kunden geliefert werden. Service Dienstleistungen lassen sich jedoch nicht immer standardisieren (Lesen Sie dazu auch meinen letzten Blog Beitrag „Standard+Case von Rob England“. Und das laufende Optimieren der internen Prozesse führt zwar zur Operational Excellence – jedoch nicht gleichzeitig auch zur Service Excellence (lesen Sie dazu den SwissICT-Beitrag vom März 2013. ITIL versucht von innen heraus (Inside-Out) die Service- und Kunden-Fokussierung zu ermöglichen.

Im Zuge der (freundlichen) Übernahme von ITIL durch CAPITA und dem daraus entstandenen Joint Venture Axelos, welches das Ziel hat, Service Management neu zu positionieren, besteht eine verständliche Angst, inwiefern ITIL dadurch komplett kommerzialisiert wird und ob es nicht Alternativen gibt. In diesem Zusammenhang wird oft auf USMBOK verwiesen, das Universal Service Management Body of Knowledge von Ian M. Clayton. Ian ist ein Service Management Experte der ersten Stunde, war bei der Gründung von IT SMF USA mit dabei und hat die ITIL Ausbildung in den vereinigten Staaten mit aufgebaut. Ian ist auch Mitglied im OIPM und stellt damit eine Brücke zwischen der IT und dem Business dar.

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Ich habe diesen Frühling in Form von Web-Session mir direkt von Ian sein Werk USMBOK erklären lassen. Über insgesamt 7 Abend- und Morgensessions konnte mir Ian die Beweggründe und die wesentlichen Unterschiede von seinem Framework zu ITIL aufzeigen. Ian sieht das USMBOK jedoch nicht als Ersatz von ITIL – sondern eher als eine wesentliche und wichtige Ergänzung. Im Gegensatz zu ITIL, welches von innen heraus operiert (Inside-Out), hat das USMBOK einen völlig anderen Ansatz: Outside-In.

Outside-In versus Inside-Out
Wir leben in einer Service Gesellschaft. Die Zufriedenheit und damit die Basis für unsere Loyalität zum Dienstleister wird sehr stark über die wahrgenommenen Erfahrungen und die Erzielung unserer Wünsche und Vorstellungen beeinflusst, welche sich in der Interaktion zwischen uns und dem Service-Anbieter ergeben. Service Management war immer und bleibt auch in Zukunft eine systematische Methode für das Managen der Service Bereitstellung und des Supports für Kunden. Service Management hat seinen Ursprung aber nicht aus der IT. Bereits in den Jahren von 1960-1980 war dieser Begriff durch Unternehmen für das Produkt Management und Marketing verwendet. Darum braucht es auch heute noch einen universalen Ansatz für Service Management in der Zukunft. Und dieser sollte nicht aus IT technischer Sicht gestaltet sein.

Obwohl sich ITIL in der Version 3 und auch in der Edition 2011 verstärkt kundenorientiert gibt, ist ITIL noch zu stark intern und zu wenig Kunden fokussiert. USMBOK adressiert genau diesen Mangel und wurde aufgrund des kundenzentrischen Ansatzes (Outside-In) in die Best Practice Bibliothek aufgenommen. USMBOK sieht sich als die definitive Next-Generation Referenz für Service Management.

Die Art und Weise, wie heute seitens der Kunden mit Informationstechnologie umgegangen wird, hat sich dramatisch verändert. Viele IT Organisationen geben Lippenbekenntnisse zum Kunden, agieren aber immer noch traditionell und versuchen mit Hilfe der „Best Practices“ zu einer höheren Qualität der Dienstleistungen und zu geringeren Betriebskosten zu gelangen. Dies wird nicht mehr genügen, weil der Kunde bei all diesen Ansätzen nicht wirklich im Zentrum steht.

Wenn ich mich als Lieferant in der Qualität nicht abheben und differenzieren kann, bleibt der Überlebenskampf alleine beim Preis. Nur wenn der Kunde wirklich zufrieden ist wird er auch in Zukunft loyal gegenüber seinen Lieferanten sein. Aber auf was kommt es dem Kunden wirklich an? Kennen wir unsere Kunden wirklich?

Ian stellt dabei ein paar augenöffnende Fragen:

  • Wer sind Ihre Kunden? – Merken Sie sich einen.
  • Welche Aktivitäten müssen Ihre Kunden durchführen, um erfolgreich im Business zu sein?
  • Wie konkret unterstützen Sie Ihre Kunden bei der Durchführung dieser Aktivitäten?
  • Was für Erfahrungen machen Ihre Kunden bei der Nutzung Ihres Services oder bei der Interaktion mit Ihrer IT Organisation?
  • Wie zufrieden sind Ihre Kunden mit der Hilfe, welche Sie bereitstellen?
  • Was sagen die Kunden zu anderen über die Zufriedenheit mit Ihren Services?
  • Was unternehmen Sie als Reaktion auf den aktuellen Kundenzufriedenheitslevel?

Service Management muss in Zukunft einen völlig anderen Weg wählen. Alles startet und endet mit dem Kunden. Die Ziele und Visionen der Kunden sind mit den eigenen zu synchronisieren und mit Agilität an die sich laufend ändernden Bedürfnisse anzupassen.

Outside-In - Inside-Out (c) Ian M. Clayton
Outside-In – Inside-Out (c) Ian M. Clayton

Typische Indikatoren, wenn die IT Organisation zu stark intern fokussiert ist (Inside-Out):

  • Inside-Out Indikator 1: Die Sicht auf unsere Kunden, was sie interessiert und wie wir sie bedienen, unterscheidet sich deutlich in der gesamten Organisation
  • Inside-Out Indikator 2: Schlüssel Service Mitarbeiter sind nicht in der Lage, kurz, klar und leicht verständlich zu erklären, wer unsere Kunden sind und was wir für sie tun und was die Basis zur Messung der Kundenzufriedenheit ist
  • Inside-Out Indikator 3: Es wird mehr Zeit für die internen Probleme, Prozesse und Konflikte verwendet im Vergleich für die Erörterung der Kundenbedürfnisse, deren Erwartungen und Service-Erfahrungen.
  • Inside-Out Indikator 4: Nur wenige unserer Entscheidungen sind ausdrücklich von Kundenbedürfnisse getrieben.
  • Inside-Out Indikator 5: Wir haben Mühe uns an normalen Business-Schwankungen auszurichten und werden einseitig blind bei Veränderungen der Strategie.
  • Inside-Out Indikator 6: Wir versuchen ein starres Verfahren oder Prozess-Framework für alle Kundensituationen durchzusetzen
  • Inside-Out Indikator 7: Wir wissen nicht, wie sich unsere Bemühungen auf die Interessen und den Erfolg der Kunden beziehen.

Wenn zwei und mehr Indikatoren zutreffen, dann sollten die Alarmglocken läuten. USMBOK strebt eine ausgeglichene Outside-In und Inside-Out Balance an.

Traditionelle Service Organisationen träumen immer noch davon, den Besten Service für den tiefsten Preis anbieten zu können. Dabei ist das betriebswirtschaftlich ein Unsinn und kann nie aufgehen. Jeder erfolgreiche Unternehmer agiert anders: Es gilt, die tiefste Servicequalität zum höchsten Preis zu verkaufen.

USMBOK – Centricity, Synchronisity, Agility
Ian Clayton geht mit USMBOK einen völlig anderen Weg. Kernprinzipien dabei sind die Kundenzentrierung (Centricity), die Synchronisierung mit dem Kunden und die Beweglichkeit.

Centricity, Synchronicity, Agility (C) Ian M. Clyton
Centricity, Synchronicity, Agility (C) Ian M. Clyton

Centricity meint dabei die vollständige Orientierung auf die Kundenbedürfnisse und auf deren Verhalten anstelle der Ausrichtung auf interne Ziele und kurzfristige Gewinne. Die Kundenzentrierung wird über die Zufriedenheit gemessen. Einem jeden Mitarbeiter ist die Wichtigkeit der Erfüllung der Kundenerwartungen in Form von Ergebnissen, Serviceerfahrungen und Mehrwert klar.

Synchronisity meint das wo immer sinnvoll das Engagement und die Fähigkeiten mit den Kundenbedürfnissen, der Kundenstrategie und –Vision auszurichten und in Einklang zu bringen

Agility letztlich meint, die Fähigkeit zu besitzen, die immer stärkere Volatilität, Unsicherheit, Komplexität und Mehrdeutigkeit von Veränderungen mit zutragen und zu unterstützen. Gemäss dem Forbes Magazine ist Agilität die wesentliche Zutat (Ingredient) für die Next Generation Leadership

Die magische Zahl 42
Wie kann jetzt Service Excellence so ausgestaltet sein, dass sie dem „Outside-In“-Ansatz entspricht? Service Excellence kann nicht erreicht werden, ohne zu verstehen, wie die Kunden mit den Leistungen und Produkten der Organisation arbeiten. Ian Clayton nennt dies die Steuerung der Service Excellence durch die magische Zahl 42.

Die magische Nummer 42 (c) Ian M. Clayton
Die magische Nummer 42 (c) Ian M. Clayton

Die Zahl adressiert die vier E’s (Expectation, Encounter, Experience, Emotion) sowie die zwei entscheidenden Service-Gleichungen (Value, Expectation):

  • Expectation: Es muss verstanden und respektiert werden, dass Kunden Erwartungen hat, welche er teilweise bereits vorbestimmt hat. Es muss auch erkannt werden, dass die Arbeit des Providers darin besteht, in Interaktion mit dem Kunden zu treten.
  • Experience: Die wahrgenommenen Erfahrungen des Kunden hat die grösste Bedeutung im Service Business und muss entsprechend gemanagt werden
  • Encounter (Zusammentreffen mit Kunden): Jede Kundenbegegnung ist ein „Moment of truth“ – der Moment der Wahrheit. Es ist wichtig, diese Begegnungen zu kennen. Diese können vor, während und auch nach der Kundentransaktion erfolgen.
  • Emotion: Die Emotionen und Gefühle des Kunden respektive wie diesen begegnet wurden sind zentral bei seiner Beurteilung der Service Leistung. Ein guter Service-Provider muss sich in die Lage des Kunden versetzen können. So bestehen beispielsweise bei der Reservation eines ITIL-Kurses folgende Erwartungen (Expectations): Leicht zu findende Lokation, Einfacher Anmeldeprozess, Parkplätze unmittelbar bei der Schulung und tadellose Abwicklung des Reservationsprozesses. Diese Erwartungen kann man nur kennen, wenn man sich in die Lage und Gefühle des Kunden versetzen kann: Hoffentlich finde ich das Kurslokal, haben sie wohl Parkplätze, hat es keine Probleme mit der Anmeldung gegeben.

Bei der Service-Gleichung  „Value“ werden die Erfolgreichen Kunden Ergebnisse plus die 4Es mit dem Preis sowie den Akquisitionskosten verglichen.

Die Service-Gleichung „Expectation“ werden die Bedürfnisse und Wünsche in Form von Anforderungen mit den Fähigkeiten in Form von Offerten verglichen.

Zentral dabei ist die Kundenzufriedenheit. Die Kundenzufriedenheit führt zu zwei wesentlichen Aspekten:

  1. Loyalität: Der Kunde bleibt treu. Dabei werden Kosten gesenkt (weniger Akquise) und ist zunehmend wichtig, um wettbewerbsfähig zu bleiben. Die beste Art, Loyalität zu erzeugen liegt in der konstanten Generierung von überzeugenden und authentische Wahrnehmungen für die Kunden
  2. Anwaltschaft: ein zufriedener Kunde steht für den Service Provider ein und empfiehlt ihn wo immer er kann.

Bevor also intern neue Services oder Prozessen designt werden, ist es wichtig, zuerst die Wahrnehmungen für den Kunden zu designen. So werden Services aus der Outside-In Sicht definiert.

Ganzheitliches Service Management Konzept (c) Ian M. Clayton
Ganzheitliches Service Management Konzept (c) Ian M. Clayton

Fazit:
Das USMBOK adressiert die Kundenorientierung besser als jedes andere Framework. Wenn der Kunde nicht zufrieden ist, nützen die optimierten Prozesse und Kosten nichts. Ian M. Clayton hat mit dem Ansatz eine wesentliche Ergänzung, wenn nicht auch den wesentlichen Erfolgsfaktor für Service Management Organisationen zur Verfügung gestellt.

Es ist zu hoffen, dass durch die neue Konstellation mit Axelos und Capita der Einfluss von USMBOK auf ITIL zunimmt. Vielleicht geschieht auch tatsächlich so etwas wie ein Reset des ITIL-Buttons. Mit dem USMBOK Leitfaden stehen viele wichtige Konzepte bereit, welche mit ITIL heute nicht oder zumindest viel zu wenig adressiert sind.

Eine Zusammenarbeit zwischen Ian M. Clayton und Capita ist bereits vorgesehen. Ian hat sich als Senior Vice President von G2G3 anstellen lassen, um das Amerika Geschäft mit den Business-Simulationen voranzutreiben. Es ist zu hoffen, dass durch diese Nähe auch das Gedankengut von USMBOK in die Neupositionierung von ITIL einfliesst. Ian M. Clayton hat mir gegenüber aber klar bestätigt, dass durch seine neue Position das USMBOK als solches nicht tangiert wird. Hoffentlich findet Ian jedoch noch genügend Zeit, das Framework weiter voran zu treiben.

Standard + Case: A visual primer

Die Bücher können hier bezogen werden.


 

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