Ich fahre morgens öfter mal mit dem Tram oder der S-Bahn zur Arbeit. Längst habe ich mich dabei an den Anblick von Mitfahrenden gewöhnt, die mit ihrem Iphone oder Android-Handy schon unterwegs mails checken – und der Arbeitstag damit schon meist binär in eine Schublade wandert, bevor er eigentlich begonnen hat: “Ooh nein”…oder “Yesss! Mein Tag!”. Ich schaue gern zu, wenn Mails geöffnet werden und dann die 240 Gesichtsmuskeln des Lesers so richtig viel Arbeit bekommen – mal in Richtung oben – nicht selten aber nach unten. Pokerfaces sind hier eher selten. Eigentlich könnte man ja warten, bis man im Büro ist…aber die verlockende Aussicht, einen “Yesss!” – Tag zu erwischen, ist wohl doch zu gross.
Leider. Und es wird nicht besser, eher schlechter. Denn nicht genug mit Mails, die einem ordentlich die Zugfahrt vermiesen können…der Trend geht immer mehr Richtung mobile agility – und dies nicht nur bezogen auf calls und mailing. Wir sind eingebundene Rollen in diverse Prozessabläufe mit unterschiedlichen Ausprägungen..mal responsible damit es im Workflow weiter geht, mal wollen wir “nur” – aber unbedingt – informiert werden. Die derzeit noch alltäglichen Medienbrüche beim Informations- und Workflowmanagement werden sich zunehmend auflösen – dies ist der Anspruch aller Mobile-Anwender, abgeleitet aus den ersten Placebos in diese Richtung wie file sharing, private Clouds und social media. Aus der Not heraus werden derzeit noch internationale Videokonferenzen ungesichert über Skype abgewickelt – einfach, weil das funktioniert. Und da es auch nichts kostet, ist es für die meisten Unternehmen auch ok so. Spätestens seit den letzten Wikileaks-Aktionen und dem Fall Snowden weiss auch der letzte Waldmensch, was ein Whistleblower ist…und das Abhörnetzwerk des CIA kann scheinbar auch viel mehr, als man uns glauben machen will. Hand aufs Herz – haben Sie Ihre Passwörter auf Dropbox oder in der I-Cloud gespeichert, damit Sie von überall aus Zugriff auf Ihre Lieblings-Sites haben? So praktisch dies auch sein mag, aber unsere Daten im Netz gehören wohl grundsätzlich allen.
Die Erwartungshaltung der Unternehmen und die damit erzwungenen Innovationsschübe der Anbieter für integrierte Workflow-Suiten werden sich dadurch kaum beeinflussen lassen. Virtuelle Teams und Rollenträger wollen nicht nur mails austauschen und Videokonferenzen durchführen – sie müssen künftig grundsätzlich so arbeiten, dass alle Applikationen, Zugriffe und Kommunikationsmittel überall gleich funktionieren. Aufschübe und Vertröstungen mangels bereitstehender Daten oder Informationen werden zunehmend zähneknirschend akzeptiert. Workflows, die wegen Abwesenheiten von Genehmigern ihre gesetzten Bearbeitungszeiten verletzen, werden schon heute genau unter die Lupe gelegt und wohl irgendwann zum Gegenstand des jeweiligen Beurteilungsgespräches. Zu gross ist der Druck auf Speed und Effizienz. Und erstmalig überholen die technischen Möglichkeiten die organisatorische Ausrichtung der Unternehmen. Globale und jederzeitige Präsenzfähigkeit wird zu einer Musskomponente der künftigen Generationen von Employées, davon bin ich überzeugt. Ab einem gewissen Grad der Prozessoptimierung gibt es nur noch den Faktor Mensch. Wir werden letzten Endes noch das Zünglein an der Waage spielen, ob man besser, wirtschaftlicher und schneller als andere agiert und am Markt besteht.
Irgendwie stellen sich mir gerade die Nackenhaare hoch bei diesen Gedanken. Und ich bin doch ein bisschen froh, dass mich die ersten grauen Haare vor dieser neuen Welt ein stückweit bewahren. So beobachte ich immer noch gerne im Morgenzug die Business People – mails schreibend, telefonierend…Kunden und Chefs auf später vertröstend…und irgendwann ein paar Jahre später schmunzle ich vielleicht in mich hinein und denke bei mir: Ich habs kommen sehen.