Es gibt wohl kaum noch ein nennenswertes Research Institute, welches nicht über den anhaltenden Trend der Digitalisierung und der Transformation in das digitale Zeitalter berichtet. Mithilfe der Cloud, IoT-Technologien und Artificial Intelligence werden sämtliche Produkte zu «smarten» Services umgewandelt und damit ein bis anhin nie dagewesener Digitalisierungs- und Automatisierungsdrang angestrebt. Trotzdem sind wir in der Schweiz gemäss einer Studie des Institute for Digital Business von Digital Switzerland zum Stand der Digitalisierung Schweizer KMUs immer noch 85% «Digitale Dinosaurier» mit tiefer Maturität hinsichtlich digitaler operationeller Effizienz und digitalem Kundenerlebnis. Was läuft hier schief?
Die Digitale Disruption zwingt zu einem neuem Betriebsmodell
Die Spatzen pfeifen es von den Dächern: Alles was digitalisierbar ist, wird auch digitalisiert werden. Und alles was automatisierbar ist, wird auch automatisiert werden. Unternehmen müssen sich anpassen, wenn sie noch für den Markt und den Kunden relevant bleiben wollen. Der nächste Konkurrent ist nicht einfach ein grosses internationales Unternehmen – nein, es ist eine App, womöglich von einem jungen Start-Up.
Kunden fühlen sich nicht mehr so stark an Marken und Unternehmen gebunden. Sie kaufen heute hier und morgen bei einem unbekannten Wettbewerber. Umsatzpläne lassen sich nicht mehr einfach berechnen, weil die Dynamik des Wandels nicht berücksichtigt wird. Der Innovationsdruck auf die Unternehmen nimmt rasant zu und wird weiter steigen. Das Business ist auf die Unterstützung der IT-Organisation als echter Partner angewiesen, um mit den neuen Technologien auf dem Markt zukunftsfähige Business-Innovationen zu entwickeln. So ein Partner muss nicht nur helfen, die Business-Prozesse weiter zu automatisieren, er muss vor allem auch schnell sein und den ständig veränderten Business Bedarf in der zu bauenden Lösung adaptieren können.
Diese aktuell herausfordernde Zeit wird mit dem englischen Akronym «VUCA» bezeichnet. Der Begriff beschreibt die Volatilität (V-Volatility), die Ungewissheit (U-Uncertainity), die Komplexität (C-Complexity) und die Mehrdeutigkeit (A-Ambiguity) einer völlig unklaren Situation, in der sich Firmen wiederfinden. Die einzige Gewissheit ist, dass alle Unternehmen ähnliche Herausforderungen haben und dass das vorhandene Wissen oder auch die Erfahrungen damit umzugehen nicht ausreichend vorhanden ist. Die aktuellen Strukturen in vielen Organisationen können mit der geforderten Dynamik nicht mehr umgehen und werden so zum Problem.
Das jahrzehntealte Betriebsmodell «Plan – Build – Run» hat ausgedient. Das Wasserfall-Modell mag früher gute Dienste geleistet haben, wenn es darum ging, breit abgestimmte Lösungen zu planen und umzusetzen. Heute braucht es Betriebsmodelle, welche mehr Kreativität fördern, Fehler zulassen und vor allem auch schneller Ergebnisse liefern.
Darüber hinaus wird ein kultureller Wandel gefordert, der von Unternehmen verlangt, den Status quo ständig in Frage zu stellen, viel mehr zu experimentieren und sich mit dem Scheitern vertraut zu machen. Dies bedeutet manchmal, dass man sich von etablierten Geschäftsprozessen entfernt, auf denen Unternehmen aufgebaut wurden, zugunsten von relativ neuen Praktiken, die sich noch im Aufbau befinden. Das ist mit etwas mehr agilem Mindset aber längst nicht getan. Die Prinzipien der Zusammenarbeit im Unternehmen müssen überarbeitet werden.
Business und IT gehen immer noch getrennte Wege
Eines dieser Prinzipien ist der konsequente Fokus auf die Business-Bedürfnisse und auf den Unternehmenserfolg. Jedoch allen Beteuerungen zum Trotz: der Rösti-Graben zwischen Business und IT-Organisationen ist immer noch eine der grössten Herausforderungen. Alle bekannten und gängigen Standards und Framework versuchen seit Jahrzehnten mit Prozessen, Grundsätzen und Empfehlungen zu helfen, dieses Problem für CIOs erfolgsversprechend zu klären: Tun wir in der IT-Organisation die richtigen Dinge?
Mit Business-IT-Alignment Ansätzen wird vielfach versucht, die IT näher an die Business Units auszurichten. Es werden IT-Strategien erstellt, welche sich an der Business-Strategie orientieren, jedoch in erster Linie eine technologische Ausrichtung für die nächsten Jahre manifestieren. Demand Management wird eingeführt, um die Bedürfnisse strukturierter erfassen zu können. Letztlich wandern diese Bedürfnisse in die tayloristisch geprägten Strukturen der IT-Organisation und werden verwässert aufgrund von technischen Schulden, sprich schlechter und ungenügender architektonischer Grundlagen, Einschränkungen von Standards oder rigiden Sicherheitsvorgaben. Der IT-Organisation als Fabrik für Business-Lösungen fehlt in aller Regel der Blick auf die Wertschöpfungskette. Was aus IT-Services an «Value» entsteht, liegt aus Sicht der IT in der Verantwortung des Business.
IT Organisationen versuchen sich als verlässlicher IT-Service Provider zu etablieren und die Business-Bedürfnisse mit Service Level Agreements möglichst gut abzusichern. Dies funktioniert bereits sehr gut, solange es sich um die Bereitstellung von Standard-Diensten handelt. Business und IT sind dabei aber noch lange kein Team. Vielmehr ist das Business immer noch der Auftraggeber und die IT-Organisation entsprechend der Auftragnehmer.
Man muss sich ernsthaft fragen, ob dies in Zeiten von «VUCA» noch genügt. Die Digitale Transformation von Unternehmen läuft nicht nach einem vordefinierten Muster ab und kann auch nicht einfach so beauftragt werden. Kreative Lösungen müssen gemeinsam gefunden und auch experimentiert werden können. Da kann weder die IT-Organisation einfach auf klare Anforderungen pochen noch kann das Business von der IT Fantasie-Lösungen erwarten. Es braucht eine andere Qualität der Zusammenarbeit – es braucht eine strategische Partnerschaft auf Augenhöhe. Nur – diese strategische Partnerschaft kann man sich nicht einfach selbst in eine IT-Strategie schreiben. Um als gleichwertiger, strategischer Partner anerkannt zu werden, muss sich die IT-Organisation diesen Nimbus verdienen.
Für eine erfolgreiche Digitale Transformation braucht es nur eine, dafür gemeinsame Digitale Strategie
Das Business ist sich sehr wohl bewusst, dass heute die Technologie eine wichtige Rolle spielt, wenn es darum geht, sich mit dem Markt zu entwickeln und den Wert für die Kunden kontinuierlich zu steigern. Der CIO spielt dabei eine Schlüsselrolle in der Digitalen Transformation des Unternehmens, wenn es darum geht, die Lücken zwischen den Erwartungen des bereits auf Digitalisierung ausgerichteten Marktes mit dem heute oftmals noch analogen Unternehmen zu schliessen.
Dies geht nicht, indem sich das Business eine Strategie verschreibt, ohne die zentralen Ressourcen zu berücksichtigen. Es kann auch nicht genügen, wenn die IT-Organisation versucht, eine IT-Strategie aus der Business-Strategie abzuleiten. Solange mehrere Strategien bestehen, bestehen auch unterschiedliche Verantwortlichkeiten. Es braucht vielmehr eine zentrale Digitale Strategie, welche vom Business und der IT-Organisation gemeinsam getragen wird. Gemeinsam getragen heisst auch gemeinsame Verantwortung (Shared Ownership) des Business-Erfolgs und der Risiken bei der Umsetzung dieser Strategie.
Alle Bereiche im Unternehmen – inklusive der IT-Organisation tragen den Erfolg der Digitalen Strategie. Jeder gewinnt oder scheitert gemeinsam im Team. Kein Bereich versagt allein. Wenn ein Bereich – ob Business Unit oder IT-Organisation – nicht in der Lage ist, seine Strategiekomponente umzusetzen, sind alle involviert und es werden gemeinsam Entscheidungen getroffen, wie das Problem angegangen werden kann.
Die Absicht allein genügt jedoch nicht. Wie bereits erwähnt, braucht es ein neues Betriebsmodell, welches auf völlig anderen Prinzipien beruht. Die IT-Organisation muss sich nicht «alignen» respektive auf das Business ausrichten, sondern mit dem Business konvergieren. Konvergieren heisst hier integrieren und aktiv am Business partizipieren.
Der Weg zur strategischen Partnerschaft führt nur durch konsequentes Business Relationship Management
CIOs müssen nun die zentrale Frage stellen, wie dies erreicht werden kann. Wie kann sich die IT-Organisation positionieren und reorganisieren, damit ihre Rolle über die Position des Auftrags erfüllenden Service Providers hinaus zu einem konvergenten strategischen Partner verlagert werden kann?
Der Wandel von der Position eines IT-Service Providers zu einem strategischen Partner erfordert Zeit und eine klare und detaillierte Roadmap. Grossangelegte agile Transformationen können vielleicht einen Beitrag leisten – aber in aller Regel beschäftigt sich die IT mit der Erlernung neuer Arbeitsmethoden damit wieder einmal primär mit sich selbst. Dabei sollten eher die Beziehungen zu den Business-Einheiten im Vordergrund stehen. Business Relationship Management, BRM ist dabei die Schlüsseldisziplin zur Erlangung der strategischen Partnerschaft und dabei der beste Hebel, um den grössten Business Mehrwert zu erzielen.
BRM ist nicht bloss ein Prozess, welcher die Verfahren der Beziehungen mit dem Business regelt. Das BRM Institute (www.brm.institute) positioniert Business Relationship viel bereiter. Business Relationship Management ist eine die ganze IT-Organisation betreffende Capability, Disziplin und auch Rolle zur Sicherstellung des optimalen Mehrwerts für das Unternehmen. BRM ist also eine Fähigkeit der IT-Organisation als Verbinder, Orchestrator und Navigator für das Business so zu agieren, um mit geeigneten Werkzeugen, Techniken und Methoden die gemeinsame Verantwortung der Business-Ergebnisse tragen zu können. Das Das heisst, die Mitarbeiter mit den notwendigen Kompetenzen und Skills zu haben, sowie auch die notwendigen Technologien und Methoden einzusetzen und diese Capabilities auch tatsächlich zu besitzen und zu beherrschen.
Um eine optimale Beziehung zwischen Business und IT-Organisation aufzubauen, müssen beide Seiten, das heisst sowohl der IT als Service Provider wie auch das Business selbst, betrachtet werden. Das Business Relationship Management Maturity Model (BRMM) wurde vom BRM Institute entwickelt und bietet eine Möglichkeit, die Reife der Beziehung zwischen einem Provider (IT-Organisation, HR, Finance) und seinen Business Units zu ermitteln und zu verstehen.
Das BRMM bildet ein fünfstufiges Reifegrad-Kontinuum ab, mit Level 1 namens “Ad hoc”, Level 2 “Order Taker”, Level 3 “Service Provider”, Level 4 “Trusted Adviser” und Level 5 “Strategic Partner», wobei der oberste (5.) Level ein anzustrebender Idealzustand ist, in dem die Business-Provider-Beziehung die Erwartungen sowohl der IT-Organisation als auch seiner Business Units erfüllt. Auf dieser Ebene wird die Beziehung systematisch gemanagt und kontinuierlich verbessert.
Fazit
Ein guter Service Provider zu sein, ist nicht das Ende der Fahnenstange, wenn es darum geht, das Business im digitalen Wandel vorwärts zu bringen. Dies gilt sowohl für interne wie auch externe Service Provider. Hier müssen alle einen Schritt weiter gehen wollen und auch können, denn die digitale Transformation ist ein Wandel, der das gesamte Unternehmen umfasst. Es ist auch eine Chance, sich als IT Service Provider neu zu positionieren und alte Zöpfe abzuschneiden. Dieser Weg kann jedoch nur gemeinsam mit dem Business gegangen werden. Ich bin überzeugt, dass Business Relationship dabei die Schlüsseldisziplin für Unternehmen werden wird. So ein BRM Maturity Assessment ist eine ausgezeichnete Möglichkeit, die gegenseitige Wahrnehmung des Business wie auch des IT Service Providers zu visualisieren. Und damit aich ein gemeinsamer Startpunkt zum Ziel einer strategischen Partnerschaft.