Krieg der IT-Management Frameworks

Der CIO ist heute nicht zu beneiden. War er es je? Aber heute lastet doch eine grosse Verantwortung auf seinen Schultern, das Unternehmen nun in die für das weitere Überleben notwendige digitale Zukunft zu überführen. Hier findet er sich in einer bis anhin ungewohnte Position wieder. Waren sie doch bis anhin primär damit beschäftigt, den Auftragsschwall aus dem Business möglichst kosten- und termingerecht umzusetzen und sicherzustellen, dass der IT-Park im eigenen Haus einigermassen stabil und aktuell gehalten wird.

In den früheren Jahren war der Job eines CIOs noch überschaubar. Mit einem Budget und Projektportfolio bestückt konnte man die IT-Organisation problemlos nach dem Modell „Plan-Build-Run“ werklen lassen. Der interne Fokus bezog sich in erster Linie um die Abstimmung der Prozesse und der einzusetzenden Tools je Bereich. Der Betrieb hat sich mit Frameworks wie ITIL versucht zu organisieren. Das Projekt-Geschäft wurde mehr oder weniger nach gängigem Vorgehen abgewickelt. Und Entwicklungsabteilungen haben sich – wenn überhaupt – versucht mit CMMI zu strukturieren. Eine ganzheitliche Sicht auf ein IT-Betriebsmodell war nie ein Thema.

Das hat sich in den letzten Jahren geändert. Teams sollen nun Cross-funktional zusammenarbeiten. Agilität soll dem behäbigen Planungsansatz weichen. Trotzdem müssen Sicherheits- und Compliance-Anforderungen sichergestellt werden. Methoden und Frameworks wie das in der neuen Welt funktionieren soll, schiessen wie Pilze aus dem Boden. Der CIO sieht sich plötzlich einer riesigen Auswahl von Best Practices, Methoden und Standards gegenüber, welche alle von sich behaupten, das Unternehmen in die Zukunft zu führen. Sei dies DevOps, ITIL4, COBIT2019, KanBan, SAFe, HERMES, PRINCE2, TOGAF, ASL, ISPL, Scrum, Lean IT und viele mehr. Ein regelrechter Krieg der IT-Management Frameworks ist ausgebrochen. Rob Akershoek von Fruition Partners hat es als “Fifty Shades of IT-Management” ganz treffend zum Ausdruck gebracht:

Regelrechte Graben- und Richtungskämpfe entstehen in den Organisationen. Anstelle, dass sich die Teams auf eine gemeinsame Richtung einigen, beanspruchen vielfach selbsternannte Framework-Puristen in den Organisationen, oft auch sekundiert mit externen Beratern die Deutungshoheit, was nun gelten soll. Der CIO sieht sich gefordert, eine Wahl zu treffen, was denn jetzt gelten soll und damit in Kauf zu nehmen, dass er kulturelle Gräben zu bewältigen hat. Das fängt schon damit an, ob das finale Ergebnis einer Leistung aus der IT-Organisation nun ein Produkt ist oder doch ein Service. Sind wir eine Produkt-Organisation oder eine Service-Organisation. Scheinbar unüberbrückbare Verständigungsprobleme werden damit verknüpft. Ich habe schon in einem meiner früheren Blog-Beiträge einen Stein ins Wasser geworfen, um hier einen konstruktiven Schritt anzubieten: «Services sind digitale Produkte».  Was mich weiter freut, ist ein analoger Schritt seitens der Arbeitsgruppe IT4IT von der Open Group, welche kürzlich ein Excerpt zu der dritten Version von IT4IT publiziert hat und den Service mit dem Konzept des digitalen Produktes abgelöst hat (IT4IT™ REFERENCE ARCHITECTURE, VERSION 3.0: MANAGING DIGITAL EXCERPT).

Man darf sich fragen, ob es wirklich so sakrosankt wichtig ist, das einzig richtige Framework zu wählen. Hängt damit wirklich die Zukunft des Unternehmens in den Seilen? Gibt es tatsächlich das eine Framework, den einen Standard oder die alles überragende Methode, welche als Leuchtturm durch den Dschungel führt? Schön wäre es – aber Du ahnst es: nein, das gibt es nicht. Das wird es auch nie wirklich geben.  

Mir kommt es heute vielfach vor, als ob man den Wald vor lauter Bäumen nicht mehr sieht. Die CIOs sollten endlich anfragen, einen Schritt zurück zu stehen und sich über die Positionierung der IT-Organisation und des dafür notwendigen Betriebsmodell Gedanken zu machen. Anstelle sich mit dem Kleinkrieg auf Framework-Ebene zu beschäftigen müssen sie anfangen, ihre IT-Organisation auf eine neue Dynamik vorzubereiten. Das Business erwartet von einem Partner nicht nur mehr, sondern ändert diese Erwartungen auch schnell wieder. Das Business sieht sich einer immer komplexeren Landschaft von Technologien konfrontiert, von welcher sie aber auch profitieren will. Gleichzeitig steigt der Druck von Regulierungs- und Compliance-Vorschriften, Nachvollziehbarkeit und Datenschutz in den neuen Systemen jederzeit und in Echtzeit sicherzustellen.

Wie sieht die eigene Fertigungstiefe noch aus. Wie verstehen und steuern wir ein Service-Ökosystem mit einer dynamisch verändernden Provider-Landschaft? Wie verstehen wir die Wertströme in der IT-Organisation und wie stellen wir sicher, dass diese möglichst barrierefrei und ohne grosse Liegezeiten von Rampe zu Rampe abwickeln kann? Wie gelangen von der Strategie abgeleitete Business-Demands in das Portfolio, wie werden diese rationalisiert und als umsetzbare Initiativen angestossen? Und wie werden die realisierten digitalen Produkte dem Business zur Verfügung gestellt und deren Nutzung, Verrechnung und Wertbeitrag überwacht?

Hier fehlt es oft am betriebswirtschaftlichen Business-Verständnis für die IT selbst. Ohne dieses zentrale Verständnis nützen die besten IT-Management Frameworks nicht wirklich viel. All diese Methoden behalten jedoch ihren Wert, wenn sie richtig eingesetzt werden. Es sind wertvolle Hilfsmittel, wenn es darum geht, wie bestimmte Fragestellungen und Herausforderungen konkretisiert werden sollen. Was aber vorgängig geklärt werden muss, ist die Frage nach dem Warum. Und um das Warum zu verstehen, muss der zu erzielende Wertbeitrag der IT-Organisation im Unternehmen verstanden sein. Wenn die Positionierung der IT-Organisation, das Big-Picture des Target Operating Models geklärt ist, dann sind die vielen IT-Management Frameworks regelrecht Gold wert. Weil dann werden diese als Hilfsmittel, als Checklisten und als Werkzeugkasten verstanden, welche helfen, die Herausforderungen des Betriebsmodells umzusetzen.

1 Kommentar zu «Krieg der IT-Management Frameworks»

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